: Endlich wieder Nordderby
57.000 Zuschauer werden zum Halbfinale im DFB-Pokal zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen im Volksparkstadion erwartet – mehr als je zuvor bei einem Klubspiel der Frauen in Deutschland
Von Frank Hellmann
Birte Brüggemann erinnert sich noch gut an den Tag der Auslosung. Da klingelte spät abends das Telefon bei der Abteilungsleiterin Frauenfußball des SV Werder. Horst Hrubesch war am Apparat, die Ikone des Hamburger SV, der sich offiziell um den Nachwuchs und inoffiziell noch um die Frauen kümmert. Da wollte einer einfach nur mal loswerden, wie sehr er sich auf das freue, was nun im DFB-Pokalhalbfinale alle Rekorde sprengt: Das Nordderby zwischen HSV und Werder (Sonntag 15.30 Uhr/ZDF-Livestream) beschert dem deutschen Frauenfußball eine nie dagewesene Kulisse. Alle 57.000 Karten fürs Volksparkstadion sind verkauft. Brüggemann und Hrubesch sind durchaus ein bisschen stolz, wenn die bisherige Bestmarke auf Vereinsebene mit den 44.808 Fans beim DFB-Pokalfinale 2023 in Köln fällt.
Für die 54-Jährige ist es „die perfekte Konstellation“, denn: „Wir wollen zusammen mit dem HSV ein tolles Event bieten – und wir wollen zeigen, dass der Norden doch Frauenfußball kann.“ Hintergrund: Der DFB hatte sowohl Hamburg als auch Bremen bei der Auswahl der möglichen Austragungsorte für die Frauen-EM 2029 gestrichen, für die sich der Verband beworben hat.
Dabei engagierte sich der HSV als einer der ersten Lizenzvereine im Frauenfußball, war lange fester Bestandteil der Bundesliga, ehe der Klub 2012 aus finanziellen Gründen zurückzog. Nun soll es mit der Rückkehr klappen – aktuell sind die Hamburgerinnen Zweitliga-Dritter, was reichen würde.
„Vor 57.000 haben noch nicht so viele Leute gespielt. Wir freuen uns unglaublich dolle“, sagte HSV-Spielerin Pauline Machtens in einer Pressekonferenz mit der in Hamburg geborenen und vor der Saison nach Bremen gewechselten Larissa Mühlhaus. Die Torjägerin meint: „Es bedeutet mir ungemein viel, es war schon immer mein Traum, im Volkspark zu spielen. Als kleines Kind bin ich dort mit meiner Familie hingegangen.“ Brüggemann weiß, „dass wir als Favorit in dieses Halbfinale gehen, auch wenn das für uns kein Selbstgänger wird“.
Der HSV hat immerhin 2002 im Endspiel (0:5 gegen den 1. FFC Frankfurt) gestanden, Werder noch nie. Es wird gemutmaßt, dass am Sonntag bis zu 15.000 Bremer nach Hamburg fahren. Weil es bei den Männern das Nordderby zuletzt nur 2021/22 im Unterhaus gab, ist das Fanverhalten schwer einzuschätzen. Brüggemann sagt: „Im Frauenfußball ist die Rivalität zwischen HSV und Werder definitiv nicht vorhanden.“ Würde es zu Gewalt am Rande dieser Partie kommen, „wäre das extrem bitter“.
Zwei Endspiele
Seit Gründung der Frauenabteilung vor 18 Jahren ist sie dabei, und dieses Halbfinale im großen Rahmen ist nun „der Lohn der letzten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte“. Am 1. Mai in Köln dann wieder vor ausverkauftem Haus gegen den FC Bayern anzutreten, der im zweiten Halbfinale gegen die TSG Hoffenheim (Samstag 14 Uhr/Sky) favorisiert ist, das hätte was. Auf der Werder-Geschäftsstelle hätten sie so gerne drei Cup-Endspiele beworben. Motto: „Drei Mal ist Bremer Recht!“ Die A-Junioren stehen bereits im Endspiel, die Frauen können folgen – nur die Männer haben mit der Blamage beim Drittligisten Arminia Bielefeld nicht mitgemacht.
Brüggemann hat erfreut festgestellt, „dass dem ganzen Verein Frauenfußball Spaß macht“. Nur will und kann der Verein nicht auf einmal Millionen-Investitionen tätigen, um in der Bundesliga oben anzugreifen. Bei einem Etat zwischen zwei und drei Millionen Euro bleibt ein solider Mittelplatz das Ziel. Die Zuschauerzahlen der Werder-Frauen steigen, das Highlightspiel gegen Bayer Leverkusen lockte mehr als 20.000 ins Weserstadion – darunter auch die Ultras der Ostkurve.
Bald rücken die Bagger an, damit die reguläre Heimspielstätte aufgepäppelt wird. Herausforderungen gibt es genug: Werder stellt mit Sophie Weidauer, Tuana Mahmoud und Mühlhaus drei U23-Nationalspielerinnen, die vielleicht auch anderswo auf der Wunschliste stehen. Bereits im Winter lieh sich Meister Bayern Leistungsträgerin Michelle Ulbrich. „Das zeigt ja, dass wir einiges richtig machen“, so Brüggemann.
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