: Chinas doppeltes Spiel
Während der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ins vierte Jahr geht, zelebrieren Xi und Putin ihre Freundschaft. Gleichzeitig versucht sich Peking als Friedensvermittler in Stellung zu bringen
Von Fabian Kretschmer, Seoul
Dass Xi Jinping und Wladimir Putin ausgerechnet am Montag ihre bilaterale Freundschaft zelebrieren, ist ein überaus makaberes Signal. Denn während sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zum dritten Mal jährt, vermeldet Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua: „Die Geschichte und die Realität haben uns gezeigt, dass China und Russland gute Nachbarn sind, die sich nicht voneinander entfernen lassen, wahre Freunde, die Wohl und Wehe miteinander teilen, sich gegenseitig unterstützen und sich gemeinsam entwickeln“.
Während der Ukraine-Krieg nun also ins vierte Jahr geht, hat sich Pekings strategisches Bündnis mit Moskau keineswegs geändert: Bis heute hat die chinesische Parteiführung Russland weder kritisiert noch überhaupt als Aggressoren benannt. Xi und Putin stehen Seite an Seite.
Allerdings haben sich die internationalen Umstände grundlegend gewandelt: Die militärische Lage der Ukraine wird immer prekärer; und in Washington ist mit Donald Trump ein US-Präsident an der Macht, dessen Vorstellung über eine Lösung des Konflikts in der Ukraine denen der Chinesen sehr nahekommt.
Spätestens seit der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar läuft die erneute diplomatische Charme-Offensive der Volksrepublik. Als „unerschütterliche, konstruktive Kraft in einer sich verändernden Welt“ präsentierte Außenminister Wang Yi sein Land und wiederholte seine Phrasen von China als friedensvermittelnder Macht. Normalerweise wäre das als scheinheilig verpufft. Doch angesichts der Rüpel-Rhetorik eines J.D. Vance wirkte Chinas Position geradezu vernünftig.
„Ich hatte schon immer den Eindruck, dass China nach einem Weg sucht, um als Sieger hervorzugehen, und das ist beunruhigenderweise durchaus möglich“, resümierte der ehemalige litauische Außenminister Gabrielus Landsbergis nach seinem Besuch auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „Wenn die USA und Europa der Ukraine keine Sicherheit bieten, könnte China in die Bresche springen und sein Druckmittel gegenüber Russland einsetzen. Sie könnten sogar ein besseres Angebot machen als Trump“.
Denkbar wäre, was noch vor Monaten ungeheuerlich schien: Dass China Soldaten zur Friedenssicherung in die Ukraine schicken könnte – und damit ein nie dagewesenes Druckmittel hätte, europäische Sicherheitsinteressen im Gegenzug für wirtschaftliche und politische Konzessionen zu missbrauchen: China hält Russland aus Europa fern – solange die EU-Staaten im UN-Sicherheitsrat nicht mehr die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder Tibet anprangern.
Doch wie wird China in der Ukraine selbst wahrgenommen? „China hilft definitiv Russland. Vielleicht würden sie nicht alles erdenkbar Mögliche tun, damit Russland den Krieg gewinnt. Aber sie tun alles Erdenkliche, damit Russland den Krieg nicht verliert“, sagt Alyona Getmanchuk, Gründerin des New Europe Center mit Sitz in Kyjiw. Und stellt klar: „Russland führt diesen Krieg mit Hilfe von Nordkorea, Iran und China. Ohne ihre Beteiligung und Unterstützung wäre Russland in einer völlig anderen Situation“.
Tatsächlich ist Chinas Volkswirtschaft längst zur existenziellen Lebensader für Putins Kriegsmaschinerie geworden. Chinesische Ölimporte aus Russland sind in die Höhe geschossen, und Peking exportiert einen Großteil der sogenannten „dual use“-Güter. Nur direkte Waffen zu liefern ist eine rote Linie für die Chinesen.
Nach außen zelebrieren Xi Jinping und Wladimir Putin weiterhin eine „grenzenlose Freundschaft“. In der Realität beruht diese jedoch eher auf einem nutznießerischen Kalkül: Beide Seiten profitieren voneinander, und das nicht nur wirtschaftlich. Politisch sind sie in ihrer Ablehnung gegenüber den liberalen Demokratien des Westens geeint.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen