: Kaffeefahrt mit modularem Beton
Berlin braucht Dutzende neuer Brücken. Im Verkehrsausschuss sorgte das Thema für einen Eklat
Von Claudius Prößer
Selten kommt es im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses vor, dass Grüne und AfD ins selbe Horn stoßen – aber am Mittwoch war es so weit. Beide Fraktionen wähnten sich im Rahmen einer Anhörung zum Thema Infrastruktur und Brückensicherheit auf einer „Verkaufsveranstaltung“, ja einer „Kaffeefahrt“. Es sei „ausgesprochen ungewöhnlich“, dass ein Privatunternehmen zur Vorstellung seiner Produkte eingeladen werde, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, nach einem Beitrag des Bauunternehmens Max Bögl aus der bayerischen Oberpfalz.
Tatsächlich hatten die beiden Vertreter von Max Bögl eine bunte Präsentation ihres Portfolios an „Modulbrücken“ abgeliefert, sogar mit Videoeinspielern aus der hauseigenen Werbeabteilung. Ihre Botschaft: Mit modularen, also vorgefertigten Brücken könnten Kommunen Geld sparen und vor allem den Ersatzneubau für marode Bauwerke deutlich beschleunigen. Kapek vermisste dabei „jeden Bezug zur spezifischen Berliner Situation“ und warf die Frage auf, ob es sich um eine Gefälligkeit handele, nachdem die Bayern mit ihrer Magnetschwebebahn in der Hauptstadt abgeblitzt waren.
Johannes Kraft, dessen CDU sich die Bögl-Vertreter als Anzuhörende gewünscht hatte, wehrte sich gegen den Vorwurf: „Wir haben immer gesagt, wir wollen Praktiker einladen, dem hat niemand widersprochen.“ Dass die Aussagekraft der „Verkaufsveranstaltung“ begrenzt war, fand aber auch Lutz Adam. Für den Leiter der Tiefbauabteilung der Senatsverkehrsverwaltung können modulare Lösungen höchstens „ein Baustein“ sein: „Die Bögl-Brücken, die ich gesehen habe, stehen auf freiem Feld, aber wir sind hier in der Stadt.“ Viele Berliner Brückenbauwerke müssten so konstruiert werden, dass sie eine Vielzahl an Leitungen aufnehmen könnten.
Hintergrund der Anhörung war nicht so sehr der jüngste Riss in der Brücke der A 100 über die Ringbahn, bei dem immer noch unklar ist, ob er zu einer Vollsperrung und in Folge zum Verkehrschaos führen wird. Vielmehr müssen nach Aussage der Senatsverkehrsverwaltung 120 der rund 800 Berliner Brücken in den kommenden 10 Jahren neu gebaut werden, weil ihre Stabilität nicht mehr sicher gegeben ist. Dazu sei ein Masterplan in Entwicklung.
Bei rund 70 Brücken ist das Problem, dass sie mit sogenanntem Hennigsdorfer Spannstahl errichtet wurden. Der steckt auch in der Dresdner Carolabrücke, die im vergangenen September spektakulär und ohne Vorwarnung einstürzte.
Die immensen Kosten, die ein solches Infrastrukturprogramm verursacht, könnte Berlin mit der von Schwarz-Rot massiv zusammengestrichenen Investitionsplanung kaum stemmen. Im Ausschuss machte darum auch Senatorin Ute Bonde (CDU) klar, dass jetzt alle Augen auf das geplante Sondervermögen des Bundes und die darin für die Länder reservierten Mittel gerichtet sind.
Dass es aber nicht nur aufs Geld ankommt, stellte Frank Prietz von der Baukammer Berlin in der Anhörung klar: Durch die mangelnde Nachfrage der öffentlichen Hand nach Ingenieurbauwerken seien die auf Brückenbau spezialisierten Planungsbüros mittlerweile dünn gesät – zumal Planungsprozesse wegen umständlicher Genehmigungsprozesse sehr lange dauerten. „Es ist schwierig, mit Brückenbau in die schwarzen Zahlen zu kommen“, so Prietz.
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