Trump gegen Wissenschaft: Mit der Abrissbirne
Die US-Regierung überzieht die Wissenschaft im Land mit tiefgreifenden Einschnitten. Es trifft auch Disziplinen wie Biomedizin und Mathematik.
taz |
„Wir müssen jetzt Entscheidungen darüber treffen, an welcher Front wir kämpfen, welche Projekte und jungen Wissenschaftler wir wie schützen“, sagt Vakil. Er wirkt nicht wie jemand, der leichtfertig Alarm schlägt. Erst vor wenigen Wochen trat er sein neues Amt an, zu Beginn einer neuen Epoche, die er als „für die freie Wissenschaft vielleicht die schwierigste der Moderne“ beschreibt.
Mit der Begründung, „woke Politik auszurotten“ und „die amerikanische Tradition und westliche Zivilisation zu verteidigen“, greift die US-Regierung unter Präsident Donald Trump Universitäten und Wissenschaft an, mit tiefgreifenden Einschnitten und Kürzungen im Hochschulbetrieb.
Kaum im Amt, hat die Regierung eine schwarze Liste erstellt, um bewilligte Stipendien mit unerwünschten Projekten und Forschungsgebieten zu überprüfen. Ganz oben stehen Schlagworte wie „Gemeinschaft“, „kulturelles Erbe“, „Trauma“, „Hassrede“, „Inklusion“, „Geschlecht“, „Diskriminierung“ oder „Green New Deal“.
Es trifft sogar „nicht-woke“ Wissenschaft
Am Tag seiner Amtseinführung beendete Trump die DEI-Förderprogramme, die Vielfalt, Gleichberechtigung und Teilhabe an Universitäten und Schulen förderten. Neu ist, dass die Kürzungen auch Disziplinen wie Biomedizin und Mathematik treffen: Grundlagenforschung, die sich nicht mit „woken“ Themen wie Klimawandel oder Rassismus beschäftigt.
Am Dienstag entließ man 168 von insgesamt 1.450 Mitarbeitern der National Science Foundation (NSF): Spezialisten im Ingenieurswesen, in Biologie, Informatik, Geologie und Chemie. Die NSF ist eine Forschungsagentur, die große Teile der Grundlagenforschung finanziert. Für Mathematiker ist sie ihre Hauptfinanzquelle. Nun will die Regierung die Hälfte ihres Budgets streichen.
Vor zwei Wochen fror die Regierung zudem den Etat der National Institutes of Health (NIH) ein – mit 47 Milliarden Dollar das weltweit größte öffentliche Budget für biomedizinische Forschung. Der staatliche Zuschussanteil des NIH für Forschungsinstitutionen soll von 30 auf 15 Prozent sinken. Betroffen sind Studien zu Krebs, Alzheimer, Diabetes, Impfstoffen und Genmutationen.
In North Carolina beispielsweise gehören Universitäten zu den größten Arbeitgebern. Der Bundesstaat beheimatet zwei der besten im ganzen Land: die North Carolina University und die Duke University. Sie erhielten bisher mehr NIH-Gelder als andere, jeweils 580 und 531 Millionen Dollar. Jetzt sind sie die Verlierer der neuen Regierung.
Auch eine Steuererhöhung des universitären Stiftungsvermögens auf bis zu 35 Prozent ist geplant. Die Hochschulressourcen auszuhebeln, ist dieser Regierung ein zentrales Anliegen.
„Die Universitäten hier sind wundervolle Orte, sie sind das Kronjuwel der USA“, sagt Vakil, „weil eine freie Wissenschaft überparteilich im Sinne aller war. Jetzt erleben wir eine Zerstörung der intellektuellen Infrastruktur im Land, die sich vielleicht über Jahrzehnte nicht rückgängig machen lässt.“
Trump lässt es auf Gerichtsentscheidungen ankommen
Generalstaatsanwälte aus 22 US-Bundesstaaten haben die Regierung wegen der geplanten Kürzungen verklagt. Die Klage richtet sich gegen die Reduzierung der Mittel für sogenannte indirekte Kosten wie Laborkosten, Fakultätsgehälter und Infrastruktur. An diesem Freitag findet die gerichtliche Anhörung statt.
In den USA ist der Kongress die gesetzgebende Gewalt. Wenn er ein Budget bereits verabschiedet hat, ist der Präsident daran gebunden – eigentlich. Versucht er trotzdem, wie auch im Fall der US-Entwicklungsagentur USAID, die Gelder zurückzuhalten, wird er Klagen dagegen vor Gericht erleben. Gerade das ist aber die Strategie der aktuellen Regierung: Chaos anzurichten und es dann den Gerichten zu überlassen. Entscheidend wird sein, ob sie vor den mehrheitlich konservativen Richtern damit Erfolg hat.
Ravi Vakil sorgt sich, dass weder die Öffentlichkeit noch die Medien die Dramatik der Situation begreifen und sich auf Ablenkungsdebatten stürzen, etwa über eine mögliche dritte Amtszeit für Trump. Die größte Befürchtung in den Fakultäten ist der Brain Drain: dass die besten amerikanischen Wissenschaftler:innen in den nächsten Jahren nach China und Europa abwandern werden.
Aber der Mathematiker hat auch Vertrauen in das intellektuelle und wissenschaftliche Fundament, in die Macht von Zusammenarbeit und freiem Gedankengut. Nachdem die Sowjetunion 1957 den ersten Satelliten ins Weltall schickte und den schockierten Amerikanern damit die Illusion raubte, einen technischen Vorsprung zu haben, handelten die USA: Sie erkannten das Bildungssystem als entscheidende Machtressource an und investierten in Universitäten.
Diese Dinge, sagt Vakil, seien nicht so leicht zu entwurzeln.
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