Die Bundestagsprogramme im Klima-Check: Wenigstens haben sie es nicht vergessen
Obwohl die Erderhitzung im Wahlkampf untergeht, haben die demokratischen Parteien Klimaschutz-Pläne. Ehrgeizig sind nur die von Grünen und Linken.
Die Ampelregierung hat den Klimaschutz zwar vorangebracht, seine selbstgesteckten Klimaziele wird Deutschland bis 2030 voraussichtlich trotzdem nicht erreichen. Ehrgeiz beim Klimaschutz zeigen nur Grüne und Linkspartei.
Bis auf die AfD machen aber alle Parteien in ihren Programmen Vorschläge, wie das Klima zu schützen ist. Die Unionsparteien und die Grünen wollen wie gesetzlich vorgesehen Klimaneutralität bis 2045 schaffen, die Linkspartei sogar bis 2040. Die FDP fordert, erst 2050 klimaneutral zu werden und das BSW ist dagegen, dass Deutschland vollständig klimaneutral wird.
Den guten Fortschritt der Ampel beim Ausbau der Erneuerbaren wollen SPD und Grüne fortsetzen, die Grünen wollen das Tempo sogar anziehen. Während die FDP staatliche Unterstützung für den Erneuerbaren-Ausbau kappen will, fordert die Linkspartei, mehr Geld hineinzustecken und „große Teile der Energieproduktion in öffentliche Hand zurückzuholen“.
SPD und Union bekennen sich zum Kohleausstieg 2038, Grüne und Linke fordern, den Ausstieg auf 2030 vorzuziehen. Die Linkspartei will darüber hinaus ab 2035 keinen Strom mehr aus Gas erzeugen, das BSW dagegen langfristig auf russisches Erdgas setzen. Die FDP fordert, in Deutschland mehr Erdgas zu fördern.
Uneinigkeit gibt es bei Verbrenner und Tempolimit
Schlecht läuft der deutsche Klimaschutz in den Bereichen Verkehr und Heizen. Hier haben die Parteien sehr unterschiedliche Vorstellungen. Im Verkehrsbereich setzt die Union auf die „Automobilindustrie als Leitindustrie“ und will daher die EU-weite Regel kippen, ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen. Darin ist sie sich einig mit dem BSW.
Auch die SPD will den Autokonzernen unter die Arme greifen, indem sie Strafen nicht zahlen müssen, die ihnen wegen unzureichenden Klimaschutzanstrengungen drohen. Die SPD fordert wie die Grünen und die Linkspartei ein Tempolimit auf Autobahnen, um CO₂ einzusparen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Die drei Parteien setzen aber vor allem auf den ÖPNV. Sie wollen das Schienennetz ausbauen und das Busnetz auf dem Land verbessern. Die Linkspartei will außerdem das 9-Euro-Ticket wieder einführen, SPD und Grüne wollen das Deutschlandticket wieder auf 49 Euro pro Monat reduzieren und vergünstigt für Menschen anbieten, die wenig Geld haben. CDU und CSU haben sich immer wieder widersprüchlich dazu geäußert, ob sie das Deutschlandticket überhaupt weiterfinanzieren wollen.
Beim Heizen haben die Parteien sehr unterschiedliche Vorstellungen. Die SPD will vor allem gemeinschaftliche Lösungen wie Fernwärmenetze ausbauen und Hausbesitzer*innen mit geringen Einkommen beim Einbau von Wärmepumpen unterstützen. Auch die Grünen wollen, wie schon mit dem Heizungsgesetz eingeführt, Förderung für nachhaltiges Heizen nach Einkommen staffeln.
Union, FDP und BSW wollen das Heizungsgesetz abschaffen. Die Linkspartei will vor allem sicherstellen, dass Mieten nicht steigen, wenn Heizungen ausgetauscht werden.
Klimageld wollen alle – außer das BSW
2027 werden der Verkehrs- und der Gebäudesektor in den EU-CO₂-Handel überführt. Dann wird kein staatlich festgelegter CO₂-Preis mehr fällig, sondern der Preis bildet sich am Markt. Benzin könnte dann 38 Cent teurer sein als bisher.
Bis auf das BSW, das den CO₂-Handel ablehnt, wollen deswegen alle Parteien dafür sorgen, dass Heizen und Mobilität auch nach 2027 bezahlbar bleiben. Die Union will durch Steuersenkungen Haushalte entlasten, SPD, Grüne und Linkspartei setzen auf bessere klimaneutrale Infrastruktur, für die kein CO₂-Preis anfällt.
Alle Parteien mit Ausnahme des BSW wollen außerdem ein Klimageld einführen, das aus den Einnahmen durch den CO₂-Handel finanziert wird. Beim Klimageld von Grünen, Linkspartei und SPD bekommen Leute mit geringerem Einkommen mehr Geld als Leute mit hohem Einkommen.
Union und FDP betonen, dass ihnen die deutsche Industrie wichtiger ist als der Klimaschutz. Auch die SPD spielt in ihrem Wahlprogramm Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit gegeneinander aus und priorisiert letzteres. Für Grüne und Linkspartei schließen sich eine starke Wirtschaft und Klimaschutz nicht aus.
Grüne und Linke scheiterten bislang an der Realität
Schon 2021 hatten Grüne und Linkspartei die klimarealistischsten Wahlprogramme. Trotzdem drückte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck 2022 womöglich überflüssige Flüssiggas-Terminals durch und beteiligte sich an der Abschwächung des Klimaschutzgesetzes.
Die Linken erhielten 2021 den Vorsitz des wichtigen Energie- und Klimaschutz-Ausschusses im Bundestag und besetzten ihn aus fraktionsinternen Gründen mit dem fossilfreundlichen Klaus Ernst, der inzwischen BSW-Abgeordneter ist.
Klimaschützer*innen inner- und außerhalb der Partei sind sich darüber hinaus unsicher, welche Priorität Klimaschutz eingeräumt wird, wenn die Partei sich nach der Bundestagswahl ein neues Grundsatzprogramm gibt.
Bei klima.taz auf Instagram haben wir uns die Klima-Versprechen der demokratischen Parteien ausführlich angeschaut.
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