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Engagierter Stand-UpLachen gegen die Öko-Angst

Wer den Greenwashing Comedy Club in Paris besucht, darf über den Klimawandel lachen und auch über das eigene Ökobewusstsein. Ist das woke oder witzig?

Mit Witzen will der Greenwashing Comedy-Club Menschen zum Nachdenken bringen: Anne Dupin, Gründerin des Clubs Foto: Audrey Bourbier

Aus Paris taz | Ein Donnerstagabend im ehemaligen Rathaus des 4. Arrondissements von Paris. Es ist kurz nach 21 Uhr, die ersten Gäste nehmen auf den ausgemusterten Schulstühlen Platz. Auf einer Holzbühne stehen zwei Vintage-Sessel, gedämmte Tischlampen vermitteln eine Wohn­zim­mer­atmo­sphäre.

Rob Azo, ein junger Mann mit runder Brille und Cap, tritt auf die Bühne, ergreift das Mikrofon und eröffnet den Abend. „Hallo liebe Freunde! Wer von euch ist ein Öko?“, fragt er. Ein paar Zu­schaue­r*in­nen applaudieren verhalten. Und ziehen damit Azos Aufmerksamkeit auf sich. Der Comedian spricht einen jungen Mann aus der zweiten Reihe an: „Du hast eben geklatscht, was machst du denn Nachhaltiges, lebst du zum Beispiel vegetarisch?“ Der Zuschauer schüttelt den Kopf. „Ah, okay. Fährst du dann Fahrrad?“, fragt Azo. „Nee, auch nicht“, sagt der junge Mann. Das Publikum lacht.

Lachen gegen die Ökoangst, das ist das Rezept des Greenwashing Comedy Clubs, einem nomadischen Comedian-Kollektiv aus Paris, das mehrmals im Monat in verschiedenen Locations auftritt – wie an diesem Abend in der Académie du Climat, ein Nachhaltigkeitszentrum mit kostenlosen Bildungs- und Unterhaltungsformaten.

Dass die Comedians bereits die zweite Show am Abend spielen, merkt man ihnen nicht an. Um das Publikum warmzubekommen, spielt Azo mit ihnen ein Spiel. Er nennt ein Wort und das Publikum soll entweder „green“ rufen, wenn es um etwas Umweltfreundliches geht, oder „buuh“, wenn es sich um Greenwashing handelt.

Los geht’s: „Einen Baum pflanzen?“ „Green!“ „Ein SUV?“ „Buuh!“ „Ein E-SUV?“ „Buuh!“ „Wie sieht es aus mit der Kernenergie?“ Das Publikum zögert, einige rufen leise „Buuh“, vereinzelt hört man ein „Green“. Bevor er die Bühne verlässt, gibt Azo den Zu­schaue­r*in­nen noch einen Tipp, wie sie weniger heizen können: „Von Oktober bis Februar bei einem Date übernachten.“

Comedy zum Thema Umwelt ist neu in Paris

Gegründet wurde der Greenwashing Comedy Club 2022 von der Comedienne Anne Dupin. Mittlerweile besteht das Kollektiv aus knapp 30 wechselnden Comedians, von denen viele regelmäßig auftreten. Teils engagieren sie sich für die Umwelt, teils scheitern sie auch regelmäßig daran. „Aber keiner von uns zweifelt den Klimawandel an“, sagt Comedienne Rafaella Scheer. Sie ist Mitorganisatorin des Comedy Clubs und von Beginn an dabei. Tagsüber arbeitet sie als Beraterin für Investoren, die ihren CO2-Fußabdruck reduzieren wollen. Abends bringt sie Leute zum Lachen. „Wenn du jeden Tag negative Klima-Nachrichten hörst, hilft es sehr, darüber zu lachen – oder Witze zu schreiben“, sagt sie.

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Sprüche über Ökologie, Feminismus, Rassismus oder Kapitalismus haben im Greenwashing Comedy Club alle einen Platz. Mit ihnen sind die Hu­mo­ris­t*in­nen Teil einer relativ neuen Welle der Comedyszene, dem engagierten Stand-up. „Feministische oder queerfreundliche Comedy gibt es in Paris schon länger, aber zum Thema Umwelt und Klimawandel gab es das so bisher noch nicht“, sagt Scheer.

Zurück zur Bühne, auf der die Comedienne Yoanna Sallese gerade erzählt, dass sie eigentlich unfreiwillig als Öko lebt. „Ich kaufe Second Hand, weil ich Geld sparen muss und fahre Fahrrad, weil ich meine Führerscheinprüfung sechsmal nicht bestanden habe“, sagt sie und muss selbst lachen. Sallese ist Comedienne und Journalistin, spezialisiert auf Umweltthemen.

Dann die große Pointe. „Was haben der Klimawandel und mein unerfülltes Liebesleben gemeinsam?“, fragt sie. „Beides verdränge ich. Das Einzige, das mich derzeit in Paris penetriert, ist der Feinstaub.“ Unter Applaus verlässt sie die Bühne.

Buhrufe für Plastikflaschen

Immerhin esse ich keine Fische mehr. Ist ja auch mittlerweile so viel Plastik drin

Florence Trebuchon, Comedienne

An diesem Abend ist das Publikum eher jung, zwischen 20 und 30 Jahre alt, mehrheitlich weiblich gelesen. Ab und zu kämen aber auch ältere Menschen oder Familien mit Kindern, sagt Rafaella Scheer. Und fügt hinzu:„Vor allem kommen zu uns Leute, die noch nie beim Stand-up waren und ohne den Klimabezug gar nicht gekommen wären.“

Die 63-jährige Comedienne Florence Trebuchon betritt als Nächste die Bühne, eine kleine Frau mit einem herzlichen Lächeln. Sie erzählt von Erfahrungen auf Tinder: „Wenn ich ein Profil finde mit der Beschreibung: ‚Jean-Michel, Jäger‘, kann ich dort einfach weiter swipen oder das Match auflösen. Im echten Leben kann man Jägern leider nicht so leicht aus dem Weg gehen.“ Damit spielt sie auf die Jagdunfälle in Frankreich an.

Immer wieder sterben auch Menschen, weil Jäger sie Wildschweinen verwechseln. Hohe Strafen bleiben oft aus – in der Regel ein Jahr Haft auf Bewährung. „Gilt das dann auch, wenn man aus Versehen auf seinen Chef schießt und dann auf der Polizeiwache sagt, dass man ihn mit einem großen Wildschwein verwechselt habe?“, fragt sie und bringt damit vor allem die Frauen im Saal zum Lachen.

Trebuchon spricht auch über Nachhaltigkeit und ihr eigenes großes Manko: „Ich trinke Wasser aus Plastikflaschen, weil ich das aus dem Hahn nicht vertrage“, sagt sie und erntet dafür ein paar Buhrufe aus dem Pu­bli­kum. „Ja okay, Mikroplastik ist schlecht für die Fische – aber immerhin esse ich keine Fische mehr. Ist ja auch mittlerweile so viel Plastik drin.“

Witze zum Nachdenken

Der Comedy Club will nicht nur Ökos an Orten wie der Aca­dé­mie du Climat ansprechen; er besucht auch Firmen. „Ich mag es, Menschen mit Witzen zum Nachdenken zu bringen. Das ist ein anderer starker Hebel, um etwas zu bewirken“, sagt Rafaella Scheer.

Dann ist sie selbst dran. Die Pariserin bezeichnet sich selbst als „urbanen Öko“, der zum Bio­friseur geht und Biowein trinkt, sich aber in der Natur kaum auskennt. „Die einzige Pflanze, die ich je gepflanzt habe, ist im Kinder-Online-Spiel ‚Der Garten von Adibou‘ “, sagt sie. Für den Planeten sei es eh zu spät, wenn man sich die Ergebnisse der letzten COP29 anschaue. „Aber wir können mit gutem Gewissen schlafen, denn wir haben alles gegeben. Wir haben wiederverwertbare Beutel im Supermarkt und unsere auffüllbaren Trinkflaschen.“ Ein junges Paar lacht verhalten, als fühle es sich ertappt.

Für Mitgründerin Scheer ist der Comedy Club ein besonderer Ort: „Es ist schön, einen ganzen Abend lang nur über Umweltthemen sprechen zu können, das geht auf anderen Bühnen nicht unbedingt“, sagt sie. Zumal sei das Publikum besonders freundlich und wohlwollend – eine Art Safe Space des Stand-ups. „Einmal habe ich mich mit einem Witz selbst herabgewürdigt. Anstatt zu lachen, hat sich das Publikum beschwert“, sagt sie.

Nach inklusiven Witzen muss man nicht lange suchen

Neben ihren Auftritten im Comedy Club spielt Scheer seit einigen Monaten auch ihre eigene One-Woman-Show „La dissonante“, wo sie ebenfalls zu Feminismus und Klimawandel Witze macht. „Ohne den Greenwashing Comedy Club hätte ich mich das nicht getraut“, sagt sie. Dort kann sie Witze testen oder spontan erfinden.

Bühne frei für die Dragdiva Dhye­pha: „Ich bin kein Öko, ich bin nur woke.“ Das Publikum lacht. Die Dragdiva trägt schwarze Absatzstiefel und eine rosa Perlenkette. Für diese Show hat sie sich mit der Definition des Begriffs „Ökologie“ beschäftigt. Dafür zitiert sie den Naturforscher und Vater der Ökologie, Alexander von Humboldt: Alles sei Wechselwirkung. „Schon im 19. Jahrhundert sagte Humboldt: ‚Achtung!‘“. Das Wort „Achtung“ sagt Dhyepha auf Deutsch – und bringt damit auch die letzten Gäste zum Lachen.

Im Greenwashing Comedy Club soll sich je­de*r wohlfühlen. Sexistische, anti-LGBT (lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle) oder andere diskriminierende Witze haben auf der Bühne nichts verloren. „Da bringt es auch nichts, wenn ein Comedian sehr nachhaltig lebt, aber dafür homophob ist“, sagt Scheer. Allgemein sei Stand-up immer noch eine vorwiegend männliche Szene und die diskriminierenden Witze zahlreich. Dabei müsse Scheer für inklusive Witze nie lange nach Inspiration suchen. „Das Leben macht bessere Witze als ich“, sagt sie.

Zuletzt tritt der Comedian Ma­thieu Saikaly auf die Bühne. Er schlüpft in die Rolle eines Historikers und Anthropologen aus der Zukunft, der erzählt, wie es zur Klimakrise kam. Bei seiner Pointe darf einem das Lachen ruhig im Hals stecken bleiben: Er fragt, warum man uns Menschen überhaupt am Leben halten sollte.

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