: Der Wald steht still und schweigt
Patient: Wald. Zustand: krank. Nur noch jeder fünfte Baum gilt hierzulande als gesund. Dabei wollte die Ampelregierung den Wald als Verbündeten gegen die Klimakrise. Doch sie tat wenig für ihn
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Von Anna Abraham
Dürren, Stürme, Hitze, Borkenkäfer: Die Bäume in den deutschen Wäldern haben in den letzten Jahren vieles durchgemacht. Um sie besser auf den Klimawandel vorzubereiten, startete die Ampelregierung mit einigen Plänen in der Waldpolitik. „Wälder sind unsere natürliche Klimaanlage“, sagte Cem Özdemir 2022 als grüner Landwirtschaftsminister. Das weckte auch Erwartungen bei dem Forstwissenschaftler Dominik Thom, seit letztem Jahr Professor an der Technischen Universität Dresden. „Ich hatte gehofft, dass mehr Geld in den Wald gesteckt wird und im Endeffekt auch mehr für die Waldanpassung getan wird“, erzählt er. Denn die Bundeswaldinventur von 2022 zeigt: Mittlerweile geben die deutschen Wälder mehr Kohlenstoff ab, als sie aufnehmen.
Die Ausgangslage
Etwa ein Drittel Deutschlands ist bewaldet, also ungefähr 11,5 Millionen Hektar. Am häufigsten treffen Spaziergänger dort auf Kiefern und Fichten. Aber besonders diese heimischen Nadelbäume sind vom Klimawandel betroffen und anfällig für Dürre und Schädlinge. Insgesamt schätzt der Verband der Waldeigentümer den Umfang der umzubauenden Waldflächen auf bis zu 3 Millionen Hektar und die Kosten dafür in den nächsten 30 Jahren auf bis zu 43 Milliarden Euro.
Aber wie baut man den deutschen Wald um? Für eine Zukunft, von der man noch nicht mit Sicherheit weiß, wie sie aussieht? Professor Thom erklärt, dass vor allem Diversität wichtig sei: viele unterschiedliche Baumarten und Baumhöhen. Denn von Winden, Dürren oder Borkenkäfer seien meist die größeren Bäume betroffen. Sterben diese, kann in einem Wald mit unterschiedlichen Höhen direkt die nächste Stufe nachwachsen – das macht ihn klimaresilienter.
Einer, der das ganz praktisch in der Natur umsetzt, ist Ralf Straußberger. Als die taz am Samstag mit ihm telefonierte, machte er gerade Pause – natürlich mitten im Wald. Seit 2011 ist der Forstwissenschaftler Teil des Projekts „Zukunftswald Rohr“ in Bayern und baut am Wochenende Kiefernwälder um. Das heißt: einzelne Nadelbäume fällen, um Platz zu schaffen, dorthin dann Setzlinge wie Buchen, Linden, Kirschen oder Tannen pflanzen. Dazu sollen sich noch andere Baumarten natürlich ansamen, wie zum Beispiel die Eiche. Jetzt im Winter bereitet Straußberger eine neu gekaufte Fläche für den Umbau vor, nimmt Haselnusssträucher raus und schaut, dass man das Forststück gut mit Fahrzeugen für den Holztransport erreichen kann.
Hinter dem „Zukunftswald Rohr“ steckt nicht der Staat, sondern eine Gruppe Privatmenschen. Denn in einer Hinsicht ist der deutsche Wald schon jetzt divers: bei seinen Besitzer:innen. Fast die Hälfte des deutschen Waldes ist in der Hand von knapp 2 Millionen Waldbesitzer:innen. Menschen wie Straußberger, der 20 Hektar von seiner Familie geerbt hat. Aber einfach alles abholzen ist trotzdem nicht.
Immer alles schlecht beim Klima?
Beim Blick auf die Klimakrise kann man schnell alle Hoffnungen auf Verbesserung verlieren. Grund genug, sich einmal einige Lichtblicke bei der Bekämpfung des Klimawandels in Erinnerung zu rufen.
Weitere Grafiken und einen Kommentar von Joschka Krause dazu finden Sie auch unter: taz.de/panterjugend2025
Auch für den Privatwald gelten die 16 Landeswaldgesetze und das rahmengebende Bundeswaldgesetz. Die aktuelle Version hat Wurzeln im Jahr 1975 und kommt ganz ohne das Wort „Klimawandel“ aus. Straußberger als Waldreferenten des BUND Bayern stören vor allem die fehlenden Vorgaben zum Kahlschlag. Denn auf kahlgeschlagenen Flächen änderten sich schlagartig Klima- und Lichtverhältnisse, sinnvoller sei es, genügend alte Bäume stehenzulassen und junge Bäume dazwischenzupflanzen.
Der Plan
So eine Regelung stand auch in den Entwürfen für das neue Bundeswaldgesetz. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampelregierung einiges mit dem deutschen Wald vor: ein neues Bundeswaldgesetz, das den gezielten Waldumbau für artenreiche und klimaresiliente Wälder vorantreibt, das Forstschädenausgleichsgesetz evaluieren, ein digitales Waldmonitoring einführen.
Der erste Entwurf des neuen Bundeswaldgesetzes aus dem Jahr 2023 zog gleich die Kritik von Umweltverbänden und von Waldbesitzern auf sich: Von den einen, die zu viele Ausnahmen sahen bei den Kahlschlagsregelungen, von den anderen, die die bestehenden Landeswaldgesetze für ausreichend halten. In der Kritik stand außerdem die Vorgabe, vor allem mit heimischen Baumarten aufzuforsten. Aber was sind in 20 Jahren die „heimischen“ Baumarten? Schon jetzt sei es schwierig genug, Baumarten für bereits trockene Standorte wie die Sandböden in Brandenburg zu finden, die die zukünftigen Klimabedingungen gut aushalten, erklärt Professor Thom.
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Für Nicola Uhde vom BUND war der letzte Entwurf im Jahr 2024 dann nur noch eine „zahnlose Mikronovelle“, oder „ein Schatten, von dem, was am Anfang gedacht war“. Der zweite Entwurf sah keine komplette Neufassung des Gesetzes, sondern nur noch eine Änderung an einzelnen Stellen vor. Dann kam das Ende der Ampelregierung und Özdemir zog in Anbetracht der „aktuellen bundespolitischen Lage“ den Gesetzesentwurf zurück.
Nach dem Rechtsruck in Argentinien:
Javier Mileis radikale Sparpolitik verschärft die soziale Spaltung. Katharina Jansenüber die Kraft der Proteste.
Online unter taz.de/panterjugend2025
Das Fazit
Eine Enttäuschung auch für den Forstwissenschaftler Thom. Direkte Auswirkungen merkte er in seinen Arbeitsgruppen außerdem durch die Streichung des Waldklimafonds (WKF). Mit diesen Geldern förderten Bundeslandwirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium seit 2013 unter anderem Forschung zur Klimaanpassung von Wäldern. Doch die Forschung wurde am Ende aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert. Dann urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass der Nachtragshaushalt der Bundesregierung verfassungswidrig sei. Der WKF fiel dem Rotstift zum Opfer. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) waren für das Jahr 2024 ursprünglich 125 Millionen Euro für die Förderung von Wiederbewaldung und Waldumbau vorgesehen. Davon ausgezahlt wurde aber infolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils und wegen später Mittelbereitstellung nur ein Teil.
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Aber Nicola Uhde sieht nicht nur Negatives in der Waldpolitik der vergangenen Bundesregierung: Positiv betrachtet sie das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“, für das in den Jahren 2024 bis 2028 3,5 Milliarden Euro vorgesehen sind. Über das Programm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ ist ein Teil davon an private Waldbesitzer:innen geflossen – in der Vergangenheit. Denn laut Umwelt- und Landwirtschaftsministerien ist das Programm „erfreulich stark nachgefragt“, der Verband der Waldeigentümer spricht hingegen von „unterfinanziert“.
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Daneben macht sich der Umweltverband BUND auch für eine Novellierung des Bundesjagdgesetzes stark. Wie Waldbesitzer und Jäger Straußberger erklärt, liege in einer „waldgerechten“ Jagd oft das Geheimnis für einen erfolgreichen Waldumbau. Denn Rehe knabbern gerne die frisch gepflanzten Bäume ab, und zwar bevorzugt solche, die besonders klimaresilient seien. Und ganz grundsätzlich lautet seine Forderung: „Klimaschutz schützt natürlich auch die Wälder.“ Ansonsten seien die Kosten für die Gesellschaft riesig, denn der Wald sei nicht zuletzt „Lärmschutzwald, Wasserschutzwald, Lawinenschutzwald und Erholungswald“.
Bis man von der Waldpolitik der derzeitigen und nächsten Bundesregierung Ergebnisse sieht, dauert es noch etwas, denn Waldumbau braucht Jahrzehnte. Doch ist der Wald langfristig überhaupt noch zu retten? Professor Thom bleibt vorsichtig optimistisch: „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Deutschland bald zur Steppe wird.“
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