: Black Lives Matter wird abgewickelt
Donald Trump würgt Maßnahmen zu mehr Diversität auf kulturellem Terrain rigide ab. Die großen US-Verlage schweigen dazu. Sind sie möglicherweise mit den Dekreten des US-Präsidenten ganz einverstanden?
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Von Sebastian Moll
Die Amtseinführung von Donald Trump liegt nicht einmal einen Monat zurück und doch erscheint es manchmal so, als seien die USA schon seit einer Ewigkeit unter seinem Regime. Unter der täglichen Flut an neuen Ungeheuerlichkeiten aus dem Weißen Haus gerät beinahe schon in Vergessenheit, was er der US-Bevölkerung in den ersten Tagen zugemutet hat.
So verblasst etwa das kaum überraschende Trump-Moratorium auf Initiativen zu größerer Inklusion mittlerweile hinter Nachrichten wie solcher, dass Elon Musk eine schwarze Liste von Rechtsanwälten angelegt hat, die Kläger gegen seine radikalen Sparprogramme vertreten. Das Ende der staatlichen Förderung von Inklusionsmaßnahmen wirkt da beinahe wie ein anfängliches Ablenkungsmanöver von den schlimmeren Dingen, die Trump anzurichten versucht und die direkt gegen die Strukturen der Demokratie gerichtet sind.
Dennoch haben Firmen und Institutionen noch immer alle Hände voll damit zu tun, die Flut an Trump-Verordnungen abzuarbeiten. Die öffentlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten gaben bekannt, dass sie schweren Herzens ihre Abteilung zur Förderung von Inklusion und Diversität (DEI) schließen. Ob sie damit die befürchteten Mittelkürzungen vom Bund verhindern können, ist freilich ungewiss.
Das staatliche Kennedy Center für darstellende Kunst musste eine Welle an Rücktritten und Veranstaltungsausfällen verkraften, nachdem Trump sich selbst an die Spitze der Organisation gesetzt hatte. Der US-Präsident hat seinen engen Gefolgsmann Richard Grenell zum Interimsleiter des Centers ernannt, in Deutschland kann man ihn noch als bulligen US-Botschafter aus Trumps erster Amtszeit in Erinnerung haben. Diese Personalie spricht für einen Kulturkampf im Kennedy Center, das eine der wichtigsten kulturellen Einrichtungen in den USA ist.
Eigenartig still blieb es derweil im Verlagswesen, obwohl die US-amerikanischen Buchverlage im Sog der Ermordung von George Floyd und dem Wiederaufblühen der Black-Lives-Matter-Bewegung sehr aggressiv ihre Diversitätsanstrengungen vorangetrieben hatten. Es gab keine Bekanntmachung der „Big Five“-Verlage zu einer neuen Linie oder eine Stellungnahme zu Trumps Verordnung. In der Branchenpresse war nichts zu dem Thema zu lesen. Von etwaigen internen Memos wurde auch nichts bekannt. Dan Sinykin, der an der Emory University von Atlanta über das Verlagswesen forscht, sprach von einer gespenstischen Stille.
Die einzige Erklärung, die Sinykin für diese Stille hat, ist, dass die Verlage gar nicht so sehr dagegen sind, ihre DEI-Anstrengungen im Windschatten von Trump zurückzufahren. Wie bei vielen Kultureinrichtungen ist im Verlagswesen der Inklusionsenthusiasmus, der nach 2020 um sich griff, in eine Art Verdruss umgeschlagen. Insbesondere die Verlage haben längst ihre Praktiken reduziert, ohne von Trump dazu gezwungen zu werden.
Prominentestes Beispiel für diese Entwicklung ist Lisa Lucas, die im Juli 2020 von Penguin Random House angeheuert wurde, um als Herausgeberin die renommierten Imprints Schocken und Pantheon zu führen. Ihre Beförderung wurde innerhalb und außerhalb der Branche als Zeichen bedeutsamen Wandels gefeiert. Doch im Mai 2024 wurde Lucas wieder auf die Straße gesetzt. Begründung des Verlages: Die Trennung sei „für das weitere Wachstum des Verlages notwendig“.
Lucas war nicht die einzige Woman of Color, die erst begeistert von den Verlagen eingestellt und dann wieder gefeuert wurde. Dana Candy wurde 2020 als Herausgeberin bei Simon and Schuster beschäftigt, sie verlor 2023 ihren Job. LaSharah Bunting wurde beim selben Verlag 2021 Lektorin und musste ebenfalls 2023 wieder gehen. Tracy Sherrod, die bei Little, Brown Belletristik von nicht-weißen Autorinnen verlegen sollte, wurde 2024 wieder vor die Tür gesetzt.
Die Schicksale dieser Frauen im Verlagswesen bestätigen Sinykins Theorie, dass die Diversifizierungsanstrengungen der großen Verlage nur ein vorübergehendes Zugeständnis an den Zeitgeist waren. Die Zahlen untermauern die Theorie. Die Anzahl schwarzer Angestellter in den Verlagshäusern bleib zwischen 2019 und 2023 konstant um die 5 Prozent. Auf der Führungsebene blieb der Anteil weißer Beschäftigter bei 77 Prozent.
Dabei gab es zwischen den Jahren 2019 und 2023 tatsächlich einen merklich ansteigenden Appetit für die Werke nicht-weißer Autoren. Der Anteil an Belletristik von nicht-weißen Autoren auf dem Markt stieg von 9 auf 16 Prozent, der von schwarzen von 4 auf 9 Prozent.
Dan Sinykin liest jedoch die zahlreichen Entlassungen von nicht-weißen Frauen in hochkarätigen Positionen als Zeichen für eine Trendwende. Eine Trendwende, die sich seit den 60er Jahren mehrfach wiederholt hat. „Es gab nach der Bürgerrechtsbewegung einen Boom schwarzer Literatur und Mitte der 90er Jahre noch einmal.“ Der Boom sei jedoch jeweils nach etwa vier Jahren wieder abgeebbt, genau dem Zeitpunkt, in dem wir uns nun befänden. Strukturell habe sich jedoch im Verlagswesen nichts verändert.
„Das Problem“, so Sinykin, „liegt darin, dass die großen Verlage nicht ihre Vorstellung davon erweitern, wer ihr Publikum ist.“ Der Kern der amerikanischen Leserschaft seien nach wie vor hauptsächlich Frauen zwischen 30 und 60. Die brächten vielleicht Interesse an schwarzer oder an LatinX-Literatur auf, wenn dies zeitgeschichtlich im Trend liege. Ein dauerhaft stabiles Publikum für nicht-weiße Literatur seien sie jedoch nicht.
Aus eben jenem Grund hatte sich Lisa Lucas schon 2022, als sie noch fest in ihrem Verlegersessel saß, darüber beschwert, dass sie nicht ausreichend Stellen in Marketing und Vertrieb besetzen könne. Es nütze nur wenig, schwarze Lektoren zu beschäftigen, es aber gleichzeitig zu versäumen, ein breites nicht-weißes Publikum zu schaffen.
Lena Brasch
Der Mangel eines solchen Publikums hat auch massiven Einfluss auf die Art der literarischen Produktion. In einem langen Essay in der New York Times schrieb der Journalist Ismail Muhammed darüber, dass nicht zuletzt die erfolgreichen Autoren der Black-Lives-Matter-Ära, von Colson Whitehead und Ta-Nehisi Coates bis hin zu Brit Bennett, Yaa Gyasi oder Bryan Washington, dem uralten Dilemma nicht entkommen, weiße Erwartungen dessen zu erfüllen, was „Blackness“ und was schwarze Themen sind. Muhammed nennt dies „Representation Trap“ – die Repräsentationsfalle, eine Falle, die wunderbar in der Filmsatire „American Fiction“ aus dem Jahr 2023 aufs Korn genommen wurde.
So scheint die Verlagsbranche Kritikern der DEI-Bewegung nach George Floyd in die Hände zu spielen, die glauben, dass DEI-Programme in ihrer jetzigen Form nicht dazu angetan sind, echten gesellschaftlichen Pluralismus zu fördern. So schrieb der afroamerikanische New Yorker Linguist John McWhorter zu seinem eigenen Erstaunen, dass Trump das Richtige tue, indem er die gegenwärtigen Formen von DEI beende.
Was natürlich laut McWhorter nicht bedeuten soll, dass weitere Anstrengungen, eine wahrhaft pluralistische Gesellschaft zu schaffen, eingestellt werden sollen. Es darf nur keine sein, die der gegenwärtigen Polarisierung der Gesellschaft in die Hände spielt und vermeintliche Identitäten als fix und rigide betrachtet.
So ist die spannende Frage im US-Verlagswesen vielleicht weniger, wie man akut auf die politischen Vorgaben aus Washington reagiert. Interessanter ist, ob das politische Klima dazu genutzt wird, weiterhin wirklichen strukturellen Wandel aufzuschieben. Leider sieht es genau danach aus.
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