Ausbeutung in Textilindustrie: Fabrik in Thailand zahlt Näherinnen keinen Lohn
Der Onlinehändler Otto weist Vorwürfe der Kampagne für Saubere Kleidung zurück. Es geht um Missstände aus Zeiten der Coronapandemie.
Wegen der Absatzschwierigkeiten im Zuge der Coronapandemie fehlten der Textilfabrik Aufträge. Die Arbeiterinnen, vorwiegend geflüchtete Frauen aus dem benachbarten Myanmar, erhielten nach eigenem Bekunden mehrere Monate keine Löhne für bereits geleistete Arbeit. Ein thailändisches Gericht setzte später eine Entschädigung von umgerechnet knapp 900.000 Euro fest, die nach Angaben der Geschädigten bislang aber nicht ausgezahlt wurde.
Die internationale Kampagne für Saubere Kleidung unterstützt die Frauen nun. Aktivistin Gisela Burckhardt sagt, Otto solle Gespräche mit den Arbeiterinnen aufnehmen und „ausloten, wie eine Entschädigung möglich sein könnte“. Als ehemaliger Auftraggeber von Royal Knitting sei Otto mitverantwortlich für die ausstehenden Zahlungen.
Ein Teil des Problems besteht darin, dass beide Seiten unterschiedliche Informationen zum Status der thailändischen Fabrik in der Zulieferkette von Otto nennen. Das Unternehmen mit Sitz in Hamburg erklärt, die Zulieferbeziehung habe bereits 2017 geendet. Deswegen sei man nicht zuständig für die Kündigungen drei Jahre später, und schon gar nicht für deren Folgen bis heute.
Behörde muss Vorwürfe prüfen
Die Kampagne für Saubere Kleidung argumentiert dagegen, die Textilfabrik habe wohl bis zur Coronapandemie für Otto gearbeitet. Als Beleg wird unter anderem angeführt, die Arbeiterinnen hätten bis 2020 Etiketten von Otto-Marken in Kleidungsstücke eingenäht. Dafür lägen eidesstattliche Erklärungen vor. Auch Packlisten und Produktionsanweisungen von Royal Knitting aus dieser Zeit würden die damalige Produktion für Otto bestätigen. Die Textilproduktion dort sei von einer anderen Firma, Yamaken Apparel, weitergeführt worden, bei der Otto noch 2020 Aufträge platzierte.
Dass das Hamburger Unternehmen mit Yamaken Apparel bis 2020 zusammenarbeitete, geht aus einem Otto-Schreiben an das Informationszentrum für Wirtschaft und Menschenrechte hervor. In einer Mail an die taz betont die Firma jedoch, dass sie zu diesem Zeitpunkt „bereits seit drei Jahren keine Ware mehr“ bei Royal Knitting produzieren ließ. Bei den „vorgelegten Kopien von Etiketten und Datenblättern handelt es sich um unkontrollierbare Dokumente, die überall auftauchen und insbesondere auch aus Resten älterer Aufträge stammen können“.
Aus den Unterlagen von Otto gehe hervor, „dass die Waren, auf die sich die Belege beziehen, in einer anderen Fabrik hergestellt wurden“. Trotz unterschiedlicher Auffassungen wolle man aber „mit allen beteiligten Parteien zusammenarbeiten, um zur Klärung der Situation beizutragen“.
Nun muss sich das Bundesamt für Wirtschaft mit dem Fall beschäftigen. Dabei wird eine Rolle spielen, ob Vorkommnisse von 2020 überhaupt unter das Lieferkettengesetz fallen, das erst 2023 in Kraft trat.
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