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Vor dem Urteil steht die Lektüre

Die Entscheidung, ob Christoph Peters’aktueller Roman verboten wird, verzögert sich noch etwas

Die Literaturredaktionen der gesamten Republik schauten in den vergangenen Tagen morgens als erstes gespannt in ihre E-Mail-Accounts und auf die Meldungen der Nachrichtenagenturen. Würde an diesem Tag die Entscheidung des zuständigen Hamburger Landgerichts kommen, ob es dem Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Christoph Peters’aktuellen Roman stattgeben wird, den Johann König über seine Anwälte eingereicht hat? Der Berliner Galerist will „Innerstädtischer Tod“ gerne verbieten lassen, weil er sich in dem in einen MeToo-Fall verwickelten fiktiven Galeristen Konrad Raspe, der im Roman vorkommt, wiedererkennt. Wegen der „besonderen Dringlichkeit“ wird in dem Anwaltsschreiben eine einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss beantragt. Dem Verlag von Christoph Peters setzte das Schreiben eine Frist bis zum 11. Februar, um Stellung zu beziehen.

Besondere Dringlichkeit also, doch die Tage strichen vorüber. Das Gericht lässt sich Zeit und zwar aus einem einsichtigen Grund: Es will nämlich erst einmal den Roman sorgfältig durchlesen. Dazu hatten die Anwälte Johann Königs in ihrem Antragsschreiben auch ausdrücklich geraten. „Die Zusammenfassung kann nur ein kurzes Exzerpt sein“, heißt es darin und weiter: „Damit sich die Kammer ein vollständiges Bild von den beschriebenen Personen und den geschilderten Handlungsweisen machen kann, ist es aus Sicht des Unterzeichners unumgänglich, das Buch durchzulesen.“ Eine Lose-Blatt-Kopie des Buches war dem Antrag beigefügt, doch offenbar hatten die Anwälte den Sinn des Gerichts für die Haptik gedruckter Bücher unterschätzt. Also musste ein Printexemplar besorgt werden. Nun war inzwischen, wie das eben so ist, durch die Berichterstattung über diesen Fall die Aufmerksamkeit für den Roman gestiegen. Aufgrund der erhöhten Nachfrage ist es, wie der Verlag mitteilt, vorläufig gar nicht überall lieferbar. Offenbar hat die Lieferung des Buches an die Geschäftsstelle des Gerichts also etwas gedauert.

Inzwischen ist es aber angekommen und wird nun von dem Gericht erst einmal sorgfältig gelesen werden. Wir warten gespannt auf das Ergebnis. Ob sich das die Anwälte von Johann König so vorgestellt haben, als sie das Eilverfahren betrieben? Aus der Sicht eines Literaturredakteurs ist es jedenfalls ausdrücklich zu begrüßen, dass ein Roman gründlich zur Kenntnis genommen wird, bevor man darüber urteilt. (drk)

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