: They are the Champions
Kein Pilz dominiert Pilzpfannen auf Jahrmärkten und in deutschen Küchen so sehr wie der, den wir Champignon nennen. Dabei galt er lange als Luxusartikel französischer Adliger. Wie kam er zu uns?
Von Johanna Weinz
Sorry an alle Pilzfans da draußen, aber lange Zeit hatte auch ich nur einen Kulturpilz auf dem Schirm. Den Champignon. Das änderte sich erst, als ein Freund bei unseren gemeinsamen Kochabenden vorschlug, über den Pilzpfannenrand hinauszublicken. Schon bald zauberten wir aus Austernseitlingen vegane Hähnchenkeulen, weil sie sich durch ihre Konsistenz gut als Fleischersatz eignen. Und auch beim Einkaufen entdeckte ich immer mehr Kulturpilze: Enoki, Shiitake und weitere Seitlinge.
Überhaupt gibt es viele Speisepilze, aber nicht alle lassen sich kultivieren. Das gelingt nur mit sogenannten Zersetzern – Pilzen, die auf Stroh, Holz oder Erde wachsen. Symbiosepilze dagegen, die in einem Nährstoffaustausch mit einem Baum stehen, kann man nicht in großen Mengen züchten. Die Symbiose nachzustellen, ist zu kompliziert. Deshalb lassen sich etwa Steinpilze oder Pfifferlinge nur in der Natur finden, sie sind nur saisonal erhältlich. Zersetzer wie Austernpilze, Shiitake, Seitlinge oder Enoki kann man das ganze Jahr über kaufen.
Unter ihnen hält sich der Champignon als weltweiter Marktführer. Dabei hat es von über 200 Champignonsorten nur eine einzige in die Supermärkte geschafft: der Zuchtchampignon in Braun und Weiß, unter Pilzkennern auch als Zweisporiger Egerling bekannt. Im Jahr 2023 machte er fast 98 Prozent der gesamten deutschen Speisepilzproduktion aus. Wie kam es aber, dass dieser eine Pilz so beliebt wurde?
Seinen Ursprung hat er in Frankreich, genauer gesagt in Paris. Darauf verweist auch die französische Bezeichnung „Champignon de Paris“. Dazu muss man wissen: In Frankreich ist Champignon schlicht das Wort für Pilz. In Paris entdeckten ihn Gärtner im 17. Jahrhundert, zur Zeit des Sonnenkönigs, auf dem Kompost. Am liebsten wächst er auf Pferdemist und Hühnergülle. Und kultivieren lässt er sich besonders gut in dunklen Kellern und Gewölben mit gleichbleibender Temperatur.
Die Pariser Katakomben, in denen er angebaut wurde, waren dafür bestens geeignet. Mit zunehmender Kultivierung war der Champignon Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur für Adelige ein Genuss. In Deutschland hingegen blieb der Genuss von Pilzen lange ein Luxus oder Sammlern vorbehalten. Erschwinglicher, als den teuren Champignon aus dem Nachbarland zu beziehen, war es, in den Wäldern Pfifferlinge zu sammeln, die überall wuchsen. Dass sie ein „Arme-Leute-Gericht“ waren, zeigt die Redewendung „Das ist doch keinen Pfifferling wert.“
Schon damals gab es in Deutschland bereits Zuchtversuche mit dem Shiitake, der auf dem asiatischen Kontinent seit vielen Jahrhunderten angebaut wird. Doch die Nachfrage fehlte. Die Zucht von Champignons hingegen breitete sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Deutschland aus. In Güllegebieten siedelten sich Champignonfarmen an. Dort werden große Mengen an Pferdemist und Hühnergülle erhitzt, um Fermentationsprozesse zu aktivieren. Der Kompost wird anschließend in riesigen Beeten auf Regalen übereinander geschichtet und mit dem unterirdischen Geflecht des Pilzes, dem Pilzmyzel, geimpft. Dann wird er mit einer Torfschicht bedeckt. Nach wenigen Wochen kann geerntet werden.
Wer den Champignon liebt, möchte ihn vielleicht auch zuhause pflücken. Tamara Pilz-Hunter ist Sprecherin des Arbeitskreises Pilzkunde & Ökologie beim BUND und lehrt an der Volkshochschule Berlin, wie man Pilze selber züchtet. Dafür wird ein Pilz aus dem Supermarkt oder der Natur genutzt, indem man ein Stück davon auf ein geeignetes Substrat legt und so ein Myzelsystem erzeugt. „Der Champignon lässt sich daheim nicht so leicht kultivieren, da er Kompost und eine bedeckende Erdschicht braucht“, sagt sie. Andere Kulturpilze wie Austernseitlinge, Limonenseitlinge oder Shiitake seien besser geeignet, da sie sich auf Stroh und Holz einfach anbauen ließen.
Tamara Pilz-Hunter findet den Champignon übrigens nicht langweilig und kann seine Beliebtheit verstehen: „Er wächst auch hier in der Natur, ist schmackhaft, ziemlich lange haltbar, fleischig und lässt sich, anders als viele andere Kulturpilze wie der Austernseitling, sogar noch roh genießen“, sagt sie. „Das macht ihn zu einem wahrhaften Champion!“
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