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Krieg im Osten der DR KongoSoldaten fliehen vor Rebellen

Im Osten der DR Kongo setzen sich die M23-Rebellen erstmals in der Provinz Süd-Kivu fest. Der Friedensprozess ist endgültig kollabiert.

Minova, Süd-Kivu, Kongo, November 2024: in einem Lager für Vertriebene Foto: Moise Kaserek/epa

Kampala taz | Im Kampfoutfit steht Oberst Ngabo Nsabimana in einer Menschenmenge. „Ihr könnt eure Läden wieder aufmachen!“, verkündet der kongolesische Rebellenkommandeur. „Ihr könnt sie sogar 24 Stunden auflassen! Denn wir garantieren jetzt Sicherheit.“ Immer mehr Kongolesen kommen angelaufen, um zu hören, was die neuen Herrscher zu sagen haben. Nach dem nächtlichen Feuergefecht in der Kleinstadt Minova wagen sich am Dienstag viele nur langsam aus den Verstecken.

Die Soldaten haben einfach alle Boote gestohlen und sind davongepaddelt

Bauer in Minova

Die Rebellen der Bewegung des 23. März (M23) erobern derzeit mit ruandischer Hilfe fast täglich neue Gebiete in der Provinz Nord-Kivu. Am Montagabend marschierten sie durch Bweremana, dem letzten Ort am Kivu-See mit einer Verteidigungsstellung der Armee, bevor die Nachbarprovinz Süd-Kivu beginnt. Am Dienstagfrüh nahmen sie Minova ein, eine 65.000-Einwohner-Stadt, die bereits in Süd-Kivu liegt. „Die Soldaten haben wild um sich geschossen“, berichtet ein Bauer aus Minova der taz am Telefon über die Flucht der Armee. „Dann haben die Soldaten uns einfach alle Boote gestohlen und sind davongepaddelt.“ In Minova leben viele Menschen vom Fischfang. „Wie sollen wir nun ein Einkommen erwirtschaften?“, fragt er.

M23-Oberst Nsabimana, der am Dienstag in Minova zur Bevölkerung spricht, stammt aus der Gegend. Vor 15 Jahren wurde er vertrieben, jetzt kehrt er mit der Waffe in der Hand zurück. Während er spricht, stapfen Hunderte M23-Kämpfer die Berge hoch weiter Richtung Süden. Dorthin haben sich die Armeesoldaten und die mit ihnen kämpfenden Milizen und befreundete Truppen aus Burundi zurückgezogen.

Am internationalen Flughafen Kavumu, keine 100 Kilometer weiter südlich, ist Panik ausgebrochen. Von einer möglichen Meuterei in der Armee ist die Rede. Der Flughafen ist strategisch wichtig. Seit der Umzingelung der Provinzhauptstadt Goma in Nord-Kivu durch die M23 starten von dort die Jets, Hubschrauber und Drohnen der Armee, dort liegen die großen Nachschub- und Munitionslager. Kavumu liegt 30 Kilometer nördlich von Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu.

Rebellen rücken weiter vor

Klar ist: Der Friedensprozess für Ostkongo ist endgültig kollabiert. Seit dem Scheitern der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen Kongo und Ruanda im November wird an allen Fronten scharf geschossen. Obwohl Kongos Präsident Félix Tshisekedi die Armeespitze umfassend umgebaut hat, rücken die Rebellen an vielen Orten weiter vor.

Der jüngste UN-Expertenbericht lieferte Anfang Januar Beweise, dass Ruanda ein Luftabwehrsystem auf kongolesischem Gebiet installiert hat. In seiner Neujahrsansprache an das Diplomatencorps gab Ruandas Präsident Paul Kagame seinem kongolesischen Amtskollegen die Schuld: „Die Person, die das ganze Problem angezettelt hat, wurde niemals zweimal gewählt“, stichelte er über Félix Tshisekedi. Kongos Präsident ist derweil unterwegs. Zuerst war er in Katar bei einem Fußballspiel. Von dort ging es weiter zum Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos. Offenbar sucht er nach Unterstützung.

Der Krieg fordert täglich Opfer. Über 230.000 Menschen sind seit Beginn des Jahres vor den Kämpfen geflohen, insgesamt sind in Nord-Kivu 2,8 Millionen Menschen auf der Flucht. Allein im Zentralkrankenhaus von Goma wurden laut Rotem Kreuz seit Anfang Januar mehr als 200 Menschen mit Schusswunden behandelt.

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