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Trumps AmtseinführungDer Geruch von Machtergreifung

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Während die anwesenden Demokraten die friedliche Übergabe der Macht feiern, verkündet Trump in seiner Antrittsrede eine radikale Agenda des Umsturzes.

Washington, 20. Januar: der frühere US-Präsident Barack Obama bei der Amtseinführung von Donald Trump Foto: Kenny Holsten/NYT/ap

D onald Trump ist wieder Präsident der Vereinigten Staaten. Zum zweiten Mal hat er am Montag eine Antrittsrede gehalten, und sie überraschte anders als die erste. Damals, 2017, waren viele noch erstaunt, dass Trump auch nach dem Ablegen des Amtseides gar nicht den Versuch unternahm, ein bisschen staatsmännisch zu wirken. Es war damals das erste Anzeichen, dass diese Präsidentschaft etwas besonderes werden und die Leitplanken der US-amerikanischen Demokratie einem Härtetest unterziehen würde.

Damit, dass Trump ein normaler, die Regeln der Demokratie achtender Präsident würde, rechnet inzwischen niemand mehr. Dass Trump allerdings tatsächlich – Stichwort Panamakanal – ausrufen würde, die USA würden in seiner Amtszeit ihr Territorium vergrößern, war denn doch erstaunlich, auch wenn es in den Ad-hoc-Kommentaren der US-Medien nicht die gebotene Aufmerksamkeit erhielt.

Die konkreten Ankündigungen, die Trump machte, waren schon seit Tagen durchgestochen worden: Nationaler Notstand an der Südgrenze, Massenabschiebungen, Ende von Klimaschutz, wahnwitzige Ausweitung der Erdölförderung, „anti-woker“ Kulturkampf von oben, Herstellung von Loyalität in der Verwaltung. Eine radikale Agenda ersten Ranges. Aber nach acht Jahren Trumpismus ist die Normalisierung des extremistischen Wahnsinns offenbar abgeschlossen. Es regt sich niemand mehr auf.

Einigkeit per Gleichschaltung

Wie damals unternahm Trump gar nicht erst den Versuch, Floskeln unterzubringen wie, dass er „der Präsident aller Amerikaner“ sein wolle. Im Gegenteil, seine Rede war eine klare Breitseite an alle, die ihn nicht gewählt haben und politisch woanders stehen. Trotzdem sieht sich Trump als „unifier“, als einer, der Menschen zusammenbringt. Wie er das allerdings meint, sagte er an einer Stelle: Immer mehr Teile der Gesellschaft schlössen sich ihm an und konvertierten zur MAGA-Bewegung – das ist Einigkeit per Gleichschaltung.

Der 20. Januar 2025 werde der Tag der Befreiung für die US-Amerikaner sein und die folgenreichste Machtübergabe der US-amerikanischen Geschichte, sagte Trump. Vor acht Jahren wäre das leere Trump-Bombastik gewesen. Heute, angesichts der geballten Milliardärspower, die sich im Kapitol unter einer radikalen Agenda zusammenfand, um ihren Führer zu bejubeln, klingt es nach Machtergreifung. Erst recht verbunden mit dem Kommentar, sowohl die Justiz als auch der Attentäter von Pennsylvania hätten ihm nach Freiheit und Leben getrachtet. Es sei nur der Fügung Gottes zu verdanken, dass er am Leben sei, um Amerika wieder großartig zu machen.

Daneben sitzen alle noch lebenden ehemaligen Präsidenten, allesamt überzeugte Trump-Gegner. Sie feiern mit ihrer Anwesenheit die großartige Tradition der zivilen Machtübergabe von einer Regierung zur anderen und sich selbst als überzeugte Demokraten. Das ist ja irgendwie richtig. Aber es fühlt sich unglaublich falsch an.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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1 Kommentar

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  • "Aber es fühlt sich unglaublich falsch an." und es wird sich auch als falsch erweisen...