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Goldene, güldene und goldige Zeiten

Ausgerechnet unter dem Kryptowährungsfan Donald Trump droht der Welt die Rückkehr zu edelmetallharten Epochen

Foto: Zeichnung: Dorthe Landschulz

Von Mark-Stefan Tietze

Am Inaugurationstag versprach der frisch vereidigte US-Präsident seinem Land nichts weniger, als dass sein Amtsantritt ein Goldenes Zeitalter einläute. Doch was genau meinte Trump mit dieser glamourösen Anspielung? Was eigentlich ist ein Goldenes Zeitalter? Wie unterscheidet es sich von Zeitaltern aus Silber, Mangan oder Blei, und wie erkennt man billige Fälschungen aus Milchschokolade oder Kaubonbon?

In der griechischen Mythologie, auf die sich der gewitzte Staatenlenker beruft, gilt das Goldene Zeitalter als paradiesischer Urzustand, der schon in uralten Schriften besungen wird. Mnemonit der Ältere beschreibt es in einer seiner Chroniken anschaulich als „Zeit des allumfassenden Segens, lange bevor das Sein die große kosmologische Rutsche hinabgleiten musste und sich den Kopf anstieß“. In diesem Zustand, einem 1a-Top-Zustand übrigens, jederzeit gerne wieder, meint der Chronist, befand sich die Welt nach der Schöpfung durch Götterväter und -mütter sowie Titanen, die alles gefällig und rundum wohl eingerichtet hatten. Doch diese frühzeitliche Idylle, in der für die Ureinwohnerschaft des Planeten aufs Beste gesorgt war, sollte nicht von Dauer bleiben.

Einige Heroen nämlich, Heldengestalten mit ausuferndem Ego, waren mit dem ihnen zugewiesenen Platz nicht zufrieden. Sie migrierten rund um die Welt, forderten Halbgötter heraus und legten sich mit den Ungetümen an, die ihnen auf ihren verschlungenen Irrwegen im Wege standen. Andere, eher Geisteshelden, dachten so intensiv über alles nach, dass sie dabei versehentlich die Philosophie, die Kartografie und den Ziplock erfanden. Am Ende standen jedenfalls die Zivilisation und das Steuerwesen. Der Abstieg in jene Zeitalter begann, die nach minderwertigeren Metallen benannt zu werden verdienten, zum Beispiel dem Warzenblech.

In diesen Spannen, die teils ganze Äonen umfassten, verfeinerte die Erdbevölkerung ihre Sitten. Sie erfand den Webstuhl, entdeckte vier der fünf Grundrechenarten, blickte stoisch Weltreichen beim Werden und Vergehen zu. Hin und wieder flackerte noch die Schnapsidee von einem Goldenen Zeitalter durch verwirrte Gemüter, doch langanhaltende Gemütlichkeit blieb Trumpf. Als Motto stand über allem: Reisende soll man nicht aufhalten, schon gar nicht, wenn sie in weite Ferne davonsegelten oder ihren letzten Gang zum Scheiterhaufen antraten.

Nach und nach kehrte der eine oder andere Abenteurer zurück, brachte Pfeffer heim, Tomaten oder Gold, was letztlich die Sehnsucht nach dem Edelmetall nährte und ein Comeback ankündigte. Die Chilischote machte freilich der heimischen Gewürzindus­trie zu schaffen, einzig das Maggikraut konnte seine vormalige Stellung behaupten; Bohnenkraut, Kerbel und Wacholderbeeren zogen sich zeitweise aus den Märkten zurück, vor allem unter der Woche. Schließlich starb das Mittelalter aus und wurde ein paar Generationen später zum neuen Hype unter rechtsgerichteten Raubrittern und dunklen Magiern, die in späteren Zeiten Mittelaltermärkte und verrückte Dorfturniere veran- und verunstalten sollten.

In der Renaissance dann, als weltweit die Universitäten gegründet wurden, erlebte der Mythos vom Goldenen Zeitalter eine, äh – also eine Wiederbelebung gewissermaßen. Nun stand es auf einmal für freie Liebe, Polyamorie, Friends-with-benefits und Netflix-and-chill. Poeten und Professoren schwärmten gemeinsam von den Vorzügen einer Rückkehr zur puren Natur, Schafe hüten im Adam-und-Eva-Kostüm wurde das große Ding. Die Menschheit, die sich gerade erst an Wäschewaschen und Bügeln gewöhnt hatte, war bass erstaunt, dass sie die Kleidungsstücke gleich wieder ablegen und frei drauflosficken sollte.

Konjunkturell bedingt folgten züchtigere Zeiten. Allerorten wurden plötzlich Krinolinen, Zylinder und Sportunterwäsche getragen. Im Hintergrund wurden die ersten Fabriken gezimmert. Während in den Kolonien Reichtümer eingesammelt wurden, nahm doch manch ein Kolonialherr ungesunde Usancen aus seiner tropischen Umgebung mit nach Hause: zum Beispiel die gewohnte Dienerschaft, suchterzeugenden Kaffee, der als „flüssiges Gold“ bekannt wurde, oder exotische Krankheiten. Mit dem Sklavenhandel schwappten erste Wellen von Fremdenfeindlichkeit über die Weltmeere.

Die zweideutige Botschaft des Präsidenten lautet: Wer sich eine Rückkehr in solche Zeiten nicht wünscht, hat nur nicht genug Geld

Trumps Hauptaugenmerk liegt allerdings woanders: In den Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet der Begriff des Goldenen Zeitalters die Jahre zwischen 1880 und dem Beginn des 20. Jahrhunderts – eine Ära, die, Historikern einer bekannten Enzyklopädie zufolge, von „materialistischen Exzessen und weit verbreiteter politischer Korruption gekennzeichnet“ war. Die zweideutige Botschaft des Präsidenten lautet: Wer sich eine Rückkehr in solche Zeiten nicht wünscht, hat nur nicht genug Geld!

All den Ansätzen zum Goldenen Zeitalter gemein ist nämlich, dass sie die Zivilisation verdammen und den wildwüchsigen Naturzustand feiern. Nur auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint es, dass diejenigen, die sich in eine rohe, ursprüngliche Welt voller Schlamm und Urbrühe zurückwünschen, nicht einmal zum Brötchenholen das Haus verlassen können, ohne sich vorher tüchtig aufgetakelt und einparfümiert zu haben. Das ist aber egal beziehungsweise war ohnehin nicht so gemeint. Letztlich wollen die Goldgräber einfach nur die Sau rauslassen können, ganz gleich, in welches Kostüm sie sich geworfen und welchen Duft sie aufgelegt haben. Sie sind der Ansicht, die Sau schon viel zu lange drinnen gelassen zu haben, in ihren Seelen, Häusern und gepanzerten Vehikeln. Ihr höflicher Vorschlag zur Güte: Das Recht des Stärkeren soll zum Gewohnheitsrecht werden.

Ob das alles tatsächlich in Klimakatastrophe, Weltkrieg und einer neuen, verbesserten Rezeptur für Coca-Cola enden muss? Experten sagen ja, es muss. Dieses Goldene Zeitalter darf keinen Rost ansetzen.

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