Maaßen-Partei vor Bundestagswahl: Wenn Werte wertlos werden
Die Werteunion verfehlt in Niedersachsen die Zulassung zur Bundestagswahl. Die Polizei ermittelt wegen mutmaßlich gefälschter Unterschriften.
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Doch diese Wortwahl erscheint rückblickend fragwürdig. Am 24. Januar wies der Landeswahlausschuss in Hannover die Bundestagswahl-Landesliste der niedersächsischen WU zurück, weil das Zulassungsquorum von 2.000 Unterstützungsunterschriften nicht erreicht wurde. In diesem Zusammenhang kam ein Vorfall ans Licht, der nun die Polizei beschäftigt: Es besteht der Verdacht, dass Unterschriften aus Osnabrück – dem Wohnort von Steffen Grüner, dem Vorsitzenden der WU Niedersachsen – gefälscht sind.
Unterstützungsunterschriften erfolgen auf amtlichen Formblättern. Sie werden der Gemeinde vorgelegt, in der die UnterzeichnerInnen zum Zeitpunkt der Unterschrift wohnen. Das dortige Wahlbüro prüft Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Meldeadresse und Wahlberechtigung, etwaige Unterzeichnungen für andere Parteien, dazu die Eigenhändigkeit der Unterschrift.
In Osnabrück gab es Probleme. Bei der Überprüfung seien „erhebliche Auffälligkeiten“ festgestellt worden, schreibt Arne Köhler, Sprecher der Stadt Osnabrück, auf Anfrage der taz. „Von den ca. 300 zur Prüfung vorgelegten Unterschriften musste der Großteil für ungültig erklärt werden.“ In anderen Prüffällen liege die Ungültigkeitsquote nur zwischen 5 und 15 Prozent.
Grüne sprechen von „Armutszeugnis“
Der Niedersächsische Landeswahlleiter Markus Steinmetz schreibt der taz, die Stadt Osnabrück habe ihn über den Verdacht auf Straftaten im Zusammenhang mit den eingereichten Formblättern für die Landesliste der Werteunion informiert. Er habe dem Vorschlag der Stadt, die fraglichen Formblätter der Polizei für Ermittlungen auszuhändigen, „ausdrücklich zugestimmt“.
Steinmetz betont, dass das Ermittlungsverfahren „unbedingt notwendig“ sei. Die Allgemeinheit habe schließlich ein berechtigtes Interesse an ordnungsgemäßen Wahlen und vertraue auf eine korrekte Wahlvorbereitung und -durchführung. Nicht zuletzt sei der gesamte Wahlvorgang ein Ausgangspunkt der parlamentarischen Demokratie.
„Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, ist das nicht nur ein schlimmer Verstoß gegen demokratische Spielregeln“, sagt Volker Bajus, Vize-Fraktionsvorsitzender der Grünen im Osnabrücker Stadtrat und parlamentarischer Geschäftsführer im Landtag. Unterschriftenfälschung sei eine Straftat. „In der Migrationsdebatte schwadroniert die Werteunion von geordneten Verfahren und geltendem Recht. Da ist es schon peinlich, wenn man selber an rechtsstaatlichen Standards scheitert.“
Für die „Rechtsaußenpartei Werteunion“ sei es ein Armutszeugnis, dass sie in Niedersachsen den demokratischen Mindeststandards nicht gerecht werde und die erforderliche Mindestzahl an Unterschriften klar verpasst habe. Nur magere 395 konnte sie vorlegen.
Besonders mit dem WU-Landesvorsitzenden Steffen Grüner geht Bajus hart ins Gericht. Auf Grüners Konto gehen rechte Botschaften in sozialen Medien, zudem hat sein „Bund Osnabrücker Bürger“ im Stadtrat mehrfach für Schlagzeilen gesorgt – unter anderem durch interne Überwürfnisse und polarisierende Wahlkampf-Schlammschlachten. Bajus sagt: „Angesichts der Erfahrungen, die Osnabrück mit Herrn Grüner und dem Bund Osnabrücker Bürger gemacht hat, überrascht die Meldung wenig.“
Die Partei schweigt zu den Vorwürfen
Grüner selbst, von der taz um Kommentierung gebeten, schweigt. Die Bundes-Werteunion schweigt ebenfalls.
Welche Konsequenzen der Vorfall für die Werteunion in Bezug auf andere, kommende Wahlen in Niedersachsen haben wird, lässt sich heute noch nicht sagen. „Um das beurteilen zu können, sind die strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten“, schreibt Landeswahlleiter Steinmetz. Vor allem müsse geklärt werden, inwieweit die Unregelmäßigkeiten der Partei selbst zuzurechnen seien.
Man habe bei der Unterschriftenaktion „wertvolle Lektionen und Erfahrungen“ sammeln können, schreibt Grüner auf der Website seines Landesverbands. Auch diese Wortwahl scheint rückblickend in etwas anderem Licht, als es wohl vom Verfasser intendiert war.
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