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Staatsanwalt auf der Anklagebank

Ein Kokainkartell, ein Boxtrainer, ein mutmaßlich käuflicher Staatsanwalt und eine dubiose IT-Firma – in Hannover nimmt ein Korruptionsskandal immer bizarrere Ausmaße an

Koks und Korruption beschäftigen das niedersächsische Justizministerium Foto: Panthermedia/Imago

Von Nadine Conti

Ein Staatsanwalt, der im Verdacht steht, Informationen an ein Drogenkartell verkauft zu haben. Eine IT-Firma, die von einem der beteiligten Drogenhändler gegründet wurde und jahrelang Polizei- und Justizbehörden beraten haben soll. In Niedersachsen nimmt ein Korruptionsskandal immer bizarrere Ausmaße an. Schon zum zweiten Mal musste das Justizministerium nun den Rechtsausschuss unterrichten.

Denn – das ist die Neuigkeit in diesem Verfahren – die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat ihre Anklageschrift fertig gegen den 39-jährigen Staatsanwalt, der seit Ende Oktober in Haft sitzt. In 14 Fällen glauben die Ermittler ihm nachweisen zu können, dass er Informationen an die Drogendealer weitergegeben hat, sie vor Überwachungsmaßnahmen, Razzien und Haftbefehlen warnte. Ihm wird deshalb Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen.

Und zwar bei jenem Kartell, das schon einmal für Schlagzeilen gesorgt hatte. Nämlich mit dem spektakulären Fund von 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen. Neben dem Staatsanwalt auf der Anklagebank: Sein Boxtrainer. Er soll der Vermittler zwischen dem Beamten und den Drogenhändlern gewesen sein, soll Informationen und Geld hin und her geschafft haben. „Cop“ und „Coach“ heißen die beiden in den verschlüsselten Chats der Ganoven, die Teil der Ermittlungsakten sind.

Aber sind diese beiden wirklich die einzigen Maulwürfe? Schon in der vergangenen Woche hatte es eine großangelegte Durchsuchung bei einer IT-Firma in Celle gegeben. Eine NDR-Recherche brachte ans Licht, dass die in engem Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlich korrupten Staatsanwalt steht.

Die Firma wurde von einem der verurteilten Drogenhändler gegründet, er schied dort erst 2021 aus, seither wird sie von Verwandten geführt. Und diese Firma ergatterte eine ganze Reihe von Beraterverträgen mit der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) in Hannover und mit dem Zentralen IT-Betrieb der niedersächsischen Justiz (ZIB), wie Innenministerium und Justizministerium widerwillig einräumen mussten. Der NDR zitiert außerdem eine Zeugenaussage, die schon sehr früh im Ermittlungsverfahren gegen das Drogenkartell entstanden sein soll. Damals wollte einer der Inhaftierten auspacken – aber um jeden Preis verhindern, dass die Aussage im IT-System landete, weil er dort ein Leck befürchtete.

Für die Opposition ist diese Geschichte natürlich ein gefundenes Fressen. Vor allem Carina Hermann (CDU), bis 2018 selbst Richterin am Landgericht Göttingen und deshalb mit Verfahrensfragen bestens vertraut, bohrt unnachgiebig in den offensichtlichen Lücken in der Darstellung des Ministeriums. Warum wurde das Ermittlungsverfahren gegen diesen Staatsanwalt 2022 eingeleitet, 2023 eingestellt und dann 2024 wieder aufgenommen? Wie konnte er so lange noch in führender Position in der Abteilung für Betäubungsmitteldelikte zuständig bleiben? Warum wurden die internen Ermittlungen nicht an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben? Hätte die IT-Firma vor der Auftragsvergabe gründlicher überprüft werden müssen? Auf welche Systeme und welche Daten hatte diese Zugriff?

Ihm wird schwere Bestechlichkeit, Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen

Hermann nimmt auch Bezug auf zwei Verfahren gegen Polizisten, die in den vergangenen Wochen öffentlich wurden. Am 17. Januar gab die Staatsanwaltschaft Hannover bekannt, dass sie gegen zwei Polizisten ermittelt, die Bestechungsgelder von Drogendealern im Steintorviertel angenommen haben sollen. Ein Oberkommissar sitzt deshalb in U-Haft. In der Woche davor war vor dem Landgericht Hannover ein ehemaliger Polizist verurteilt worden, der Informationsabfragen aus polizeilichen Auskunftssystemen im Darknet gegen Bitcoin verkauft hatte.

Diese Fälle sollen zwar inhaltlich gar nicht im Zusammenhang mit den Ermittlungskomplexen zum Drogenkartell stehen – ploppen aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf. Und – so betont Hermann – da müsse man sich schon fragen, ob es hier grundsätzliche Sicherheitslücken gebe, die zu stopfen wären. Und ob die Innen- und die Justizministerin das Ganze hinreichend ernst nehmen: „Wir sind jedenfalls sehr verwundert, dass die Unterrichtung heute weder durch die Ministerin noch durch den Staatssekretär erfolgte, sondern lediglich durch eine Referatsleiterin“, sagt Hermann.

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