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Sollten sie dienen?

Soll Deutschland zurück zur Wehrpflicht? Was dazu in den Wahlprogrammen der Parteien steht

Von David Honold

Mehr als ein halbes Jahrhundert war die 1956 eingeführte Wehrpflicht fester Bestandteil des Lebens vieler deutscher Männer. Doch nach dem Ende des Kalten Kriegs begann die Wehrpflicht zu wackeln. Die Kosten waren zu hoch, der Nutzen umstritten. 2011 wurde sie unter Angela Merkel „ausgesetzt“. Seitdem ist die Bundeswehr eine Freiwilligenarmee.

Mit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und angesichts der unsicheren Zukunft der Nato wird viel über die Verteidigungsfähigkeit Deutschland diskutiert. Und somit ist auch die Büchse der Wehrpflicht-Pandora wieder geöffnet. Sollen junge Menschen wieder dazu verpflichtet werden, militärisch zu dienen? Ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien offenbart Unterschiede.

Die Grünen wollen „den freiwilligen Wehrdienst und die Reserve für eine breite Zielgruppe attraktiver machen“. Das soll insbesondere durch „gute Lebens- und Arbeitsbedingungen für Sol­da­t*in­nen“ gelingen, mit dem Ziel, sie langfristig an die Bundeswehr zu binden. Zudem fordern die Grünen eine neue Form der Wehrerfassung, damit im Verteidigungsfall schnell Sol­da­t*in­nen rekrutiert werden können. Diese Wehrerfassung soll auch den „Zivil- und Heimatschutz“ stärken.

Die SPD plant angesichts einer „veränderten sicherheitspolitischen Lage“ einen „neuen, flexiblen Wehrdienst.“ Der Wehrdienst soll „auf Freiwilligkeit basieren“ und sich „am Bedarf der Bundeswehr orientieren“. Sie fordert auch die Einführung einer Wehrerfassung. Das Programm klingt damit stark nach dem Vorstoß des SPD-Verteidigungsministers Boris Pistorius, der in den letzten Monaten eine Änderung des Grundgesetzes für einen „neuen Wehrdienst“ ins Spiel gebracht hatte. Demnach sollten alle 18-Jährigen zur Wehrerfassung einen Brief erhalten, mit der Aufforderung, einen Onlinefragebogen auszufüllen. Junge Männer wären dazu verpflichtet, für „Frauen und Personen anderen Geschlechts ist die Beantwortung der Fragen freiwillig“.

Die Union will eine Erhöhung der Sol­da­t*in­nen­zahl von 180.000 auf 203.000. Nur durch eine Wehrpflicht könne man der Verteidigungsfähigkeit des Landes gerecht werden. Es sollen aber nur so viele junge Menschen einberufen werden, wie es die „Streitkräfteplanung erfordert“. Zudem solle die Wehrpflicht mit einem „verpflichtenden Gesellschaftsjahr“ zusammengedacht werden. Die „Tauglichen“ sollen einberufen werden. Wer dies verweigert, könne seinen Dienst „bei einer Blaulichtorganisation“ ableisten.

Die FDP setzt sich für eine „professionelle Freiwilligenarmee“ ein, lehnt die allgemeinen Wehrpflicht aber ab. Sie fordern dennoch eine Wehrerfassung. Die Attraktivität der Truppe soll durch „hervorragende Rahmenbedingungen“, wie Gehalt und gesellschaftliche Vorteile erhöht werden.

Die Linkspartei stellt sich „gegen eine Militarisierung der Gesellschaft.“ Die Wehrpflicht wird abgelehnt sowie ein „Werben fürs Sterben“ an Schulen und Universitäten.

Für die AfD ist der „Auftrag der Bundeswehr“ eine „Verpflichtung für jeden Staatsbürger.“ Der Wehrdienst soll der Regelfall sein, wobei der „Ausnahmefall“ auf Verweigerung aus Gewissensgründen anerkannt wird. Kurz: „Kriegsdienstverweigerer leisten Wehrersatzdienst.“

Das BSW betont, dass es für Jugendliche sehr wichtig sei, frei in der „beruflichen Orientierungsphase“ zu sein. Für eine „Kriegs- und Aufrüstungspolitik“ dürfe diese freie Entwicklung nicht ausgesetzt werden. Es lehnt eine Wehrpflicht ab.

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