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Bilanz der Großen Koalition in SüdafrikaDauerstreit, aber alle wollen natürlich nur das Beste

Südafrikas ANC regiert seit einem halben Jahr zusammen mit der bisherigen Hauptopposition DA. Das funktioniert, aber manchmal mehr schlecht als recht.

Südafrika ist bunter denn je, aber kommt es voran? Weihnachtliche Straßenbeleuchtung in Kapstadt Foto: Esa Alexander / reuters

Johannesburg taz | Seit einem halben Jahr regiert in Südafrika die ehemalige Befreiungsbewegung ANC (African National Congress) nicht mehr allein. Die ANC-geführte Koalitionsregierung, die Präsident Cyril Ramaphosa am 30. Juni 2024 vorstellte, verzeichnet aber eine gemischte Bilanz in ihren Bemühungen, eine politische und ökonomische Wende herbeizuführen.

32 Minister und 38 Vizeminister sitzen in der Koalition, die enstand, nachdem der ANC bei den Wahlen vom 29. Mai erstmals seit der Demokratisierung vor dreißig Jahren seine absolute Mehrheit verlor. Damit der ANC weiterregieren konnte, lud Staats- und Parteichef Ramaphosa die liberale Oppositionskraft DA (Democratic Alliance), die Zulu-Partei IFP (Inkatha Freedom Party) und die rechtspopulistische PA (Patriotic Alliance) in die Regierung ein.

Ramaphosa wurde daraufhin vom Parlament im Amt bestätigt und sechs weitere Parteien schlossen sich der GNU (Government of National Unity) an. Gemeinsam halten alle Regierungsparteien nun 287 der 400 Parlamentssitze. Der ANC stellt 20 der 32 Minister.

Hauptziele der GNU sind ein höheres, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, eine Reduzierung der Armut, Stabilisierung der Kommunalverwaltungen, Verstärkung der Sicherheitsdienste zur Kriminalitätsbekämpfung, mehr sozialer Zusammenhalt sowie eine Außenpolitik „auf der Grundlage von Menschenrechten, Verfassungsmäßigkeit, des nationalen Interesses, Solidarität, friedlicher Konfliktlösung, Erreichen der afrikanischen Agenda 2063, Süd-Süd-, Nord-Süd- und afrikanischer Zusammenarbeit, Multilateralismus und einer gerechten, friedlichen und gleichen Welt“, wie es im Regierungsprogramm heißt.

Bildung und Außenpolitik als Streitthemen

Friedlich ist es in der Koalition allerdings nicht geblieben. ANC, die einstige schwarze Befreiungsbewegung, und DA, bislang die größte Oppositionspartei und teils aus den ehemals weißen Parteien der Apartheid-Ära hervorgegangen, befinden sich miteinander im Dauerstreit.

So setzte Ramaphosa im September ein neues Bildungsgesetz in Kraft, obwohl die DA, die für diesen Politikbereich zuständig ist, es ablehnt. Der Basic Education Laws Amendment Act“ (BELA) unterwirft Homeschooling sowie die Wahl der Unterrichtssprache in einzelnen Schulen zukünftig staatlicher Regulierung – laut ANC werden damit Ungleichheiten abgeschafft, DA sieht darin ungerechtfertigte Restriktionen, etwa für weiße afrikaans-sprachige Schüler.

Das Gesetz trat in Kraft, obwohl die zuständige DA-Grundschulministerin Siviwe Gwarube – mit 35 Jahren das jüngste Kabinettsmitglied – die Inkraftsetzung boykottierte. Es gab daraufhin Forderungen, Ramaphosa solle die Ministerin wegen Ungehorsam entlassen. „Das wäre das Ende der GNU“, wehrte sich DA-Führer John Steehuisen, zugleich Agrarminister.

Gwarube blieb im Amt. Aber Ramaphosa zog eine kleinere Kabinettsumbildung ohne Konsultation seiner Partner durch. ANC-Justizministerin Thembi Simelane, der Korruption beschuldigt, wechselte ins Bauministerium. DA hatte ihre Entlassung gefordert.

Solche Themen mögen trivial erscheinen, aber sie prägen das politische Klima. Daher werden auch Konflikte über Südafrikas Außenpolitik, bei der ANC und DA grundsätzlich gegensätzliche Positionen vertreten, äußerst brisant.

Zuletzt hat das ANC-geführte Außenministerium die Schließung der Ständigen Vertretung Taiwans in der Hauptstadt Pretoria angeordnet – Südafrika ist Kernland des Schwellenlandbündnisses BRICS mit Brasilien, Russland, Indien und China. Die DA warf daraufhin dem ANC vor, in einem Kontext geopolitischer Spannungen Druck „auswärtiger Akteure“ nachzugeben. „Der ANC genießt keine absolute Mehrheit mehr und kann damit nicht mehr unilateral Südafrikas außenpolitische Positionierung festlegen“, sagte Emma Powell, außenpolitische Sprecherin der DA.

Noch viel tiefer ist der Dissens zwischen beiden Parteien zu den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten. Die DA wirft dem ANC vor, Russland zu unterstützen, aber Israel zu verurteilen, und im Oktober gewährte DA-Innenminister Leon Schreiber ohne Rücksprache Visafreiheit für Ukrainer.

Wirtschaftlich sieht es besser aus

Wirtschaftlich sieht die Bilanz etwas besser aus. Südafrikas Wirtschaft verzeichnet wieder ein leichtes Wachstum, die Währung hat sich stabilisiert. Die Arbeitslosenquote – wichtigster Indikator für die soziale Lage des Landes – ist im dritten Quartal von 33,5 auf 32,1 Prozent gesunken, die Inflation hat ein 14-Jahres-Tief erreicht.

Und kurz vor Weihnachten vermeldete der staatliche Stromversorger Eskom, es seien nunmehr 270 Tage ohne Stromausfall vergangen – in den vergangenen Jahren verging kaum ein Tag ohne „load shedding“, also vorab angekündigte Stromausfälle in einzelnen Gegenden. Im Wahlkampf war das beendet worden, was zunächst als Wahlkampftrick galt, aber der Strom fließt seither weiter. „Eskoms Reise zu einem stabilen und verlässlichen Stromversorgung ist auf einem guten Weg“, sagte Eskom-Chef Mteto Nyati.

Beim alljährlichen „Versöhnungstag“ am 16. Dezember zeigte sich Ramaphosa zufrieden. Die GNU bringe unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Perspektiven und Geschichten zusammen, sagte er, „aber wir sind geeint im Bestreben, ein besseres Südafrika für alle aufzubauen“.

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