das wird: „Wir brauchen Schulfrieden vom Kind her gedacht“
Elternvertreter Torsten Schütt lädt in Hamburg zum Schulgipfel ein
Von Kaija Kutter
taz: Herr Schütt, Ihre Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen lädt für Samstag zu einem „Schulfriedensgipfel“ ein. Wozu braucht Hamburg so einen Gipfel?
Torsten Schütt: Aus unserer Sicht gibt es in Hamburg immer wieder Bestrebungen einzelner Initiativen, Stadtteilschulen zu Schulen zweiter Klasse zu degradieren. Um dem den Nährboden zu nehmen, benötigen die Stadtteilschulen Planungssicherheit durch einen Schulfrieden, um ihre erfolgreiche Arbeit konzentriert und fokussiert fortsetzen zu können.
taz: Also, Sie finden gut, dass der Schulfrieden die Struktur aus Gymnasien und Stadtteilschulen festschreibt?
Schütt: Ja. Der Schulfrieden gilt ja seit 2010, wurde 2019 verlängert und schuf seither Sicherheit. Das war für Hamburgs Schulen wichtig. Aber er ist zu restriktiv. Er lässt wenig Diskussionen zu Themen wie Inklusion oder Gestaltung der Bildungspläne zu. Dieses Restriktive muss raus. Wir wollen einen Schulfrieden, der aus Sicht der Schüler denkt und auch Veränderungsprozesse zulässt.
taz: Sie veranstalten den Gipfel zusammen mit der Gewerkschaft GEW, einem weiteren Schulverband und der Linken?
Schütt: Ja. Auch die Vorstände der Schüler- und Elternkammer leiten einen Workshop. Und jeder ist uns willkommen.
taz: In der Einladung steht, man bräuchte aus Sicht der Wissenschaft eine Änderung der Schulstruktur und -kultur. Teilen Sie das?
Schulfriedensgipfel, Sa, 18. 1., 10–15 Uhr, GEW, Rothenbaumchaussee 15, Hamburg. Anmeldung nicht erforderlich
Schütt: Wir haben Forderungen und dafür vier Headlines gewählt: „Inklusive und integrative Schule“, „Gerechte und gesunde Schule“ sowie „Demokratische und partizipatorische Schule“ und „Zukunftsfähige und zielorientierte Schule“. Diese vier Punkte sind wichtig, werden aber, wenn Sie fünf Leute fragen, zu sieben verschiedenen Antworten führen. Daher halten wir dazu vier Workshops ab, um hier jeweils einen Konsens zu finden. Den bringen wir dann als klare Forderung in einen Schulfrieden, gedacht von allen Schülern, ein.
taz: Wie müsste denn die Schulstruktur sein? Sollte man das Abschulen vom Gymnasium nach Klasse 6 abschaffen?
Schütt: Das kann natürlich eine Forderung sein. Ich persönlich halte das für ein wirklich gutes Instrument, um den Druck aus dem Jahrgang sechs zu nehmen. Ich kann nur nichts zu den Ergebnissen des Workshops sagen. Solche Ergebnisse erhoffe ich mir aber. Dass wir klare Aussagen von ganz unterschiedlichen Gremien und handelnden Personen bekommen, die wir dann in die Politik tragen können.
taz: Wieso wäre das gut?
Schütt: Sie wissen ja, was das mit der Psyche der jungen Menschen macht. Abschulung ist ein so negatives Wort. Von meinen fünf Kindern haben auch welche das Gymnasium besucht. Der Leistungsdruck in Jahrgang fünf und sechs war damals schon stark und der ist heute noch viel stärker. Kinder beginnen schon in der Grundschule mit Nachhilfe, weil es ab Klasse fünf ganz klar heißt: Da sieben die Lehrer. Im Schnitt verwehrte man vor Corona 1.000 Schülern im Jahr den Übergang in die siebte Klasse. Es waren im letzten Jahr circa 800, aber das sind 800 Kinder, die wirklich leiden. Und dann haben wir noch die Grauzone, die sich am Gymnasium mit Hängen und Würgen bis Klasse zehn hochhangelt. Ich halte dieses Abschulen für sehr, sehr schwierig.
Torsten Schütt
61, ist selbstständiger Personalberater, Vater von fünf Kindern und Sprecher der Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen.
taz: Wie sollen die Gymnasien sich ändern, um diese Schüler zu behalten?
Schütt:Das muss man genau überlegen. Aus meiner Sicht müssten sich Eltern zweimal überlegen, ob sie ihr Kind auf einem Gymnasium anmelden oder gleich an einer Stadtteilschule. Es darf nicht dazu führen, dass sich die Gymnasien mittelfristig zu Eliteschulen entwickeln.
taz: Was passiert mit den Ergebnissen?
Schütt: Sofern es hoffentlich zu den vier Punkten einen Konsens gibt, binden wir eine Schleife drum und sagen: Das ist das, was wir uns nach Weihnachten von der Politik wünschen. Der Schulfrieden läuft ja 2025 aus. Es gibt ein paar kleinere Bestrebungen, den wieder zu erneuern. Und das wollen wir massiv unterstützen. Aber dann doch einen etwas anderen Schulfrieden, einen vom Kind gedachten. Also nicht aus der Politik von oben, nach dem Motto: Wir müssen Ruhe haben und halten alle Diskussionen unter dem Deckel.
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