Zugeschüttete Goldmine in Südafrika: Todesfalle Schacht 11
Hunderte illegale Goldschürfer sitzen monatelang in einer Mine fest. Jetzt werden sie gerettet. Für viele ist es zu spät.
166 lebende Bergwerksleute und 78 Leichen wurden laut offiziellen Angaben in der südafrikanischen Bergwerksstadt Stilfontein seit Montag von der Polizei und den Rettungskräften aus den stillgelegten Minen geholt. Sie waren dort jedoch nicht durch einen Einsturz eingeschlossen, sondern hatten die Stollen illegal besetzt.
Im vergangenen August hatte Südafrikas frisch gewählte Regierung unter Präsident Cyril Ramaphosa beschlossen, gegen den illegalen Rohstoffabbau durch Kleinbergwerksleute vorzugehen. In dem rohstoffreichen Land gibt es schätzungsweise über 6.000 stillgelegte Bergwerke, wo kein industrieller Abbau mit Maschinen durch lizenzierte Firmen mehr stattfindet, sondern die Minen offiziell geschlossen sind.
Doch in diesen stillgelegten Minen schürfen überall junge Männer, zum Teil Kinder – illegal. Mit Spitzhacken und Taschenlampen klettern sie ohne nötige Sicherheitsausrüstung in die Schächte hinein, um per Hand nach Mineralien zu suchen. Südafrika verfügt über die fünftgrößten Diamantvorkommen weltweit und mit über 90 Goldminen belegt es derzeit Platz elf hinsichtlich des Goldabbaus.
2024 begann die Polizeioperation „Schließt das Loch“
Vor dem Hintergrund des jüngsten Rekordanstiegs des weltweiten Goldpreises gepaart mit der enorm hohen Arbeitslosenquote von offiziell 33 Prozent der südafrikanischen Bevölkerung – vor allem bei Jugendlichen in den ländlichen Gebieten und unter den schwarzen Gemeinden – zieht es viele junge Männer in die Minen, um dort nach verbliebenen Goldvorkommen zu suchen. Viele von ihnen sind ehemalige Bergwerksleute, die einst bei Minengesellschaften angestellt waren und ihren Job verloren.
Südafrikas Goldrauschzeiten sind vorbei. In den vergangenen Jahren schauen sich internationale Rohstoffgesellschaften zunehmend in anderen Ländern um, die über Mineralienvorkommen verfügen. Der Grund: „Eine Fülle von Vorschriften und Richtlinien, die es zu beachten gilt, um ein Explorationsprojekt zu starten“, so eine aktuelle Studie des Institutes für Sicherheitsstudien mit Sitz in Südafrikas Hauptstadt Pretoria, „gepaart mit gravierenden Engpässen bei der Stromversorgung und Transportlogistik.“
Meist verkaufen die illegalen Schürfer ihre Funde an kriminelle Netzwerke, die mit diesem Gold illegale Geschäfte machen oder Bargeld waschen. Um diesen Syndikaten den Geldhahn abzudrehen, schickte Präsident Ramaphosa im November 2023 über 3.000 Soldaten los, um die Schürfer in den Minen dingfest zu machen. Im August 2024, kurz nach den Wahlen, begann dann die Polizei- und Militäroperation „Vala Umgodi“ (übersetzt: Schließt das Loch) in den Stollen von „Schacht 11“, wie die Minen rund um die Stadt Stilfontein, 150 Kilometer südwestlich von Johannesburg, genannt werden. Dabei kam ein Schürfer ums Leben, als er vor den Sicherheitskräften fliehen wollte.
Wohl noch 400 Arbeiter in der Mine
Laut Polizeiangaben wurden seit August 1.576 illegale Bergwerksleute verhaftet. Davon wurden 121 nicht südafrikanische Schürfer in ihre Heimatländer ausgeliefert. 46 wurden bereits von einem Gericht für schuldig befunden, illegal Ressourcen abgebaut oder gegen das Immigrationsgesetz verstoßen zu haben.
Khumbudzo Ntshavheni, Ministerin im Präsidialamt im November
Doch immer noch weigern sich Hunderte Schürfer, Schacht 11 freiwillig zu räumen. Sie haben sich quasi in den Tunnelsystemen verschanzt. „Wir werden sie ausräuchern“, hatte die Ministerin im Präsidialamt, Khumbudzo Ntshavheni, im November erklärt, als die Regierung die Wasser- und Stromleitungen in den Minen stilllegte. Nahrungsmittellieferungen wurden unterbunden. Auch die Aufzugsschächte und Treppensysteme wurden von Sicherheitskräften absichtlich demoliert, sodass die Schürfer nicht mehr selbst herausklettern konnten. Sie wurden quasi dort unten eingesperrt.
Der südafrikanische Gewerkschaftsverbund Saftu schätzte zu jener Zeit, dass sich insgesamt über 4.000 Schürfer in den Stollen befanden. Nach einer Polizeioperation im November und der daraus resultierenden Verhaftung Tausender Schürfer wird die aktuelle Zahl der verschanzten Schürfer auf rund 400 geschätzt.
Die südafrikanische Anwaltsgruppe Society for the Protection of our Constitution zog bereits im November vor Gericht, um die Rechte der Schürfer einzuklagen. Südafrikas Menschenrechtskommission (SAHRC) erhielt verzweifelte Schreiben von Angehörigen, die um das Leben ihrer Verwandten in Schacht 11 fürchteten, und unterstützte die Klage. Das Hohe Gericht in Pretoria hatte bereits in einer einstweiligen Verfügung im November angeordnet, dass ein Rettungsteam in die Stollen vordringen solle, um die Schürfer ärztlich zu versorgen. In einer erneuten Entscheidung vergangene Woche ordnete das Gericht letztlich die Regierung an, die Operation zügig zu beenden, um Menschenleben zu retten.
Einige Schürfer sind bereits an Mangelernährung gestorben. Dies zeigten nicht zuletzt verstörende Videos, die vergangene Woche in den Tunneln aufgenommen worden waren und mithilfe der südafrikanischen Menschenrechtsgruppe Macua (Mining Affected Communities United in Action) am Montag zutage gefördert wurden. Darauf zu sehen: Zahlreiche in Stoffe und Schlafsäcken eingepackte Leichen, die im schlammigen Wasser schwimmen, sowie bis auf die Knochen abgemagerte Männer, die in den dunklen Stollen auf dem Boden hocken. Macau schätzt, dass die Todeszahl mittlerweile mehr als 100 beträgt.
Eine Gerichtsentscheidung hat vergangene Woche angeordnet, dass die Regierung eine Rettungsoperation starten müsse, um weitere Todesfälle zu vermeiden. Insgesamt zehn Tage will die Polizei nun nach den Schürfern suchen – und sie letztlich verhaften, weil sie in illegale Aktivitäten verwickelt seien.
In der Gegend lebt ein Großteil der Bevölkerung von den Einkommen aus Schacht 11. Dementsprechend groß war die Frustration der Leute in den umliegenden Dörfern und Siedlungen. Als der zuständige Minister für Mineralien und Rohstoffe, Samson Gwede Mantashe, am Dienstag mit einer Regierungsdelegation aus Pretoria die Mine besuchte, protestierten die Angehörigen der Schürfer. Viele befürchten, dass ihre Angehörigen nur als Leichen geborgen würden. Sie fragten Minister Mantashe, wer die Verantwortung für die Toten übernehme. Da schickte der Minister die Polizei los, um die Demonstrierenden zu vertreiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!