Regierungsbildung in Österreich: FPÖ und ÖVP starten Verhandlungen
Chef von Österreichs Rechtsaußen-Partei, Herbert Kickl, stellt Bedingungen – und droht auch gleich.
Kickl gab sich etwas gemäßigter als im Wahlkampf, aber auch nicht unbedingt staatstragend. Er nahm den Regierungsbildungsauftrag an – allerdings nicht, ohne gegen die ÖVP auszuteilen. Die einstige Kanzlerpartei hätte die Wähler angelogen, sei doch das wahre Ausmaß der Staatsverschuldung Österreichs erst nach der Wahl bekannt geworden. Die Menschen hätten viele Enttäuschungen erlebt, allen voran die gescheiterten Verhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos. Die „Einheitsparteien“ hätten ihr Vertrauen verspielt, nun sei es Zeit für „ehrliches Regieren“.
Als Bedingung sah Kickl eine „stabile und ehrliche“ ÖVP. „Keine Tricks, keine Sabotage, sondern eine Politik für echte Veränderungen“, forderte er ein. „Sonst gibt es Neuwahlen.“ Kickl wolle jedoch Verantwortung übernehmen und die Vergangenheit hinter sich lassen – eine Anspielung auf den neuen ÖVP-Chef Christian Stocker, der Kickl vielfach deutlich kritisiert und als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet hatte.
Nach 20 Minuten endete das Statement, Fragen waren keine zugelassen. Das internationale Medieninteresse war groß, droht doch mit Österreich ein weiteres Land von Rechtsextremen regiert zu werden. Manchen Medienvertretern wurde gar der Zutritt verwehrt, etwa AFP und dem Politikmagazin Profil. Für Vertreter rechter Alternativmedien fand sich hingegen ausreichend Platz.
Kehrtwende um 180 Grad
Den Gang in Verhandlungen bestätigte am Mittwoch dann auch ÖVP-Chef Stocker, unter dem die Partei eine 180-Grad-Kehrtwende hinlegte. Monatelang schloss die ÖVP eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aus, um am Sonntag doch umzufallen – nicht ganz überraschend, gab es doch vom Wirtschaftsflügel der ÖVP von Anfang an Druck für eine Zusammenarbeit mit den Blauen.
Für seinen Kurswechsel schob Stocker dem Bundespräsidenten die Verantwortung zu: „Dadurch, dass Van der Bellen den Regierungsauftrag an Kickl gegeben hat, müssen wir nun Verantwortung übernehmen.“ Tatsächlich war die Abfolge genau umgekehrt: Erst trat Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) zurück, dann wechselte die ÖVP schlagartig ihren Kurs, dann erst vergab Van der Bellen den Regierungsbildungsauftrag an die FPÖ, weil sich „eine neue Option“ aufgetan habe.
Inhaltlich gab es auch von der ÖVP noch keine Ansagen. Stocker betonte bloß, auf einer weiterhin unabhängigen Medienlandschaft, auf Rechtsstaatlichkeit und einer Partnerschaft mit der EU zu bestehen. Dafür brauche es „Wehrhaftigkeit und Standfestigkeit“. All diese Punkte seien Bedingungen für seine Partei, die Stocker zufolge geeint sei.
Rückzieher wegen Kickl
Ganz so sieht es nicht aus. Mit Außenminister Alexander Schallenberg und Frauenministerin Susanne Raab kündigten bereits zwei Regierungsmitglieder an, unter einem Kanzler Kickl nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Auch ÖVP-Urgestein Franz Fischler, ab 1995 erster österreichischer EU-Kommissar, kritisierte Blau-Schwarz. Eine solche „reaktionäre“ Regierung brächte Österreich in eine „demokratieriskierende Situation“, sagte er im Standard.
Unterdessen wurde bekannt, wer Nehammer als Übergangskanzler nachfolgen wird: Es ist Außenminister Schallenberg, der diese Rolle schon nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz für einige Monate innehatte. Er führt ab sofort die Amtsgeschäfte.
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