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Urlaub daheim unter Palmen

Für ein Gefühl von Tropen muss man nicht nach Bali, es reicht ein Abstecher nach Brandenburg. Eine Fantasiewelt in einer riesigen Halle verspricht Tropical Islands

Aus Krausnick Andreas Hartmann

Schon von Weitem sieht man die gewaltige Kuppel, die sich zwischen Feldern und Waldflächen mehr als hundert Meter in die Höhe reckt. In dieser, der größten freitragenden Halle der Welt, um die 60 Kilometer von Berlin entfernt im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald gelegen, befindet sich Tropical Islands. Der größte Indoor-Wasserpark der Welt.

Nähert man sich dem Riesengebäude, muss man automatisch an eine Raumstation wie aus einem Science-Fiction-Film denken. Nur, dass diese nicht auf einem unwirtlichen Planeten wie dem Mars errichtet wurde, sondern mitten in einem ziemlich irdischen Naturschutzgebiet.

Die Gebäude in der unmittelbaren Umgebung gehören allesamt mit zur eigenen Infrastruktur von Tropical Islands, wozu eine eigene Wäscherei, Büros für die Verwaltung, zwei mit Gas betriebene Blockheizkraftwerke und Ferienhäuser zählen. Um die 550 feste Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt die Destination, sagt der Pressesprecher des Unternehmens. Das sei damit einer der größten Arbeitgeber im südlichen Brandenburg.

Reist man mit der Bahn zum Tropical Islands, landet man an einer recht trostlosen Station mitten im Nirgendwo. Man blickt auf ein paar Häuser des Dörfchens Brand, vor allem aber auf viel Wald. Und weil man den Busshuttle verpasst hat, macht man sich eben zu Fuß auf den Weg in Richtung Krausnick, einem Ortsteil der Gemeinde Krausnick-Groß Wasserburg, zu dem der Wasserpark gehört, auch wenn er mehr als sieben Kilometer von dem entfernt liegt. Zu Fuß ist hier sonst niemand unterwegs. Wenn man dann vor der Anlage steht, wird angesichts der riesigen Parkplatzflächen auch schnell klar, dass das mehrheitlich bevorzugte Transportmittel für Besucher und Besucherinnen des Wasserparks ganz sicherlich das Auto ist.

Dass das Tropical Islands einmal seinen zwanzigsten Geburtstag feiern würde – wie nun tatsächlich Ende 2024 –, hätten in den ersten Jahren der Touristenattraktion viele seiner Kritiker nicht geglaubt. Zu bizarr klang die Idee eines Unternehmers aus Malaysia, einen touristischen Themenpark in XXL-Dimensionen mitten in eine eher strukturschwache Region zu pflanzen.

Und in den ersten Jahren kamen auch tatsächlich nicht annähernd genügend Gäste, um profitabel wirtschaften zu können. Doch etwa ab 2010, mit dem weiteren Ausbau von Übernachtungsmöglichkeiten – sogar im Inneren der Halle kann man übernachten –, habe man die Gewinnzone erreicht, so der Sprecher des Unternehmens. Das bisher beste Jahr sei 2019 gewesen, kurz vor der Coronapandemie, mit über 1,2 Millionen Besuchern im Jahr. Vergangenen Frühling wurde zudem ein Hotel eröffnet, verbunden mit der Hoffnung, so die Zahlen weiter steigern zu können. Bereits jetzt kämen viele der Besucher und Besucherinnen auch von weiter weg angereist, nicht nur aus Polen und Tschechien, sondern auch aus Dänemark, den Niederlanden und Schweden, so der Sprecher. Menschen aus ganz Europa, die nicht bloß einen Tagesausflug, sondern einen richtigen Urlaub im brandenburgischen Tropen-Resort verbringen wollen, sollen so noch stärker angesprochen werden. 1,3 bis 1,4 Millionen jährliche Besucher und Besucherinnen seien das nächste unternehmerische Ziel.

Das klingt so, als sei im wirtschaftliche Sinne aus einer vermeintlichen Schnapsidee doch noch eine wundersame Erfolgsgeschichte geworden. Die wirkt noch schillernder, wenn man bedenkt, dass die Halle, die nicht nur gewaltig hoch, sondern auch sagenhafte 360 Meter lang und 210 Meter breit ist, ursprünglich für einen ganz anderen Zweck gebaut wurde. Auf dem Gelände, einem ehemaligen Flugplatz, der von den Nazis als Fliegerhorst und in der DDR-Zeit als Militärflughafen genutzt wurde, hätten eigentlich seit den Nullerjahren keine tropischen Temperaturen erzeugt, sondern Luftschiffe gebaut werden sollen. Das heutige Tropical Islands war ursprünglich als Cargolifter-Werkhalle geplant. Doch der Plan mit den Luftschiffen stellte sich als wirtschaftlich unrentabel heraus, woraufhin die Vision mit dem Indoor-Tropen-Ressort erst ins Spiel kam. Inzwischen glauben auch Investoren wie die spanische Unternehmensgruppe Parques Reunidos, die weltweit 60 Freizeitparks betreibt und zu der seit 2019 auch das Tropical Islands gehört, an diese.

Außer an Heiligabend ist der Wasserpark jeden Tag im Jahr geöffnet. Rund um die Uhr. Um einen Eindruck zu bekommen, was die nach Angaben des Unternehmenssprechers durchschnittlich 3.200 Besucher und Besucherinnen jeden Tag hierher treibt, begibt man sich eben selbst „zwischen den Jahren“ zu diesem. Draußen ist es klirrend kalt, in der Kuppel sorgen stabile 26 Grad in der Luft und 28 Grad Wassertemperatur dagegen für ein perfektes Badehose- und Bikiniklima.

Das klingt verlockend genug, um anzunehmen, dass im Moment Tropical-Islands-Hochsaison ist und nicht etwa im Sommer. So ist es aber nicht, was den Sprecher des Tropical Islands selbst ein wenig verwundert, wie er sagt. Vor allem während der Sommerferien, der klassischen Urlaubszeit, sei auch hier am meisten los. Bis zu 6.500 Besucher und Besucherinnen würden da schon mal an einem Tag kommen, womit die Auslastungsgrenze erreicht wäre.

An Silvester immerhin ist der Park schon Tage vorher komplett ausgebucht. Die Besucher und Besucherinnen, die an diesem Tag kämen, so der Sprecher, würden dabei bewusst keine besondere Party unter der Kuppel erwarten, sondern im Gegenteil vor den üblichen Silvesterritualen flüchten.

Tropisches in Brandenburg

Ein Wasserpark ...

Tropical Islands, mitten in einem Naturschutzgebiet im brandenburgischen Spreewald gelegen, ist ein weltweit ziemlich einzigartiger Wasserpark. Er befindet sich fast komplett in einer riesigen Halle, die ein wenig etwas von der Anmutung eines viel zu groß und hoch geratenen Bierzeltes hat. Gebaut wurde diese ursprünglich, um darin Luftschiffe zu montieren.

... mit Regenwald

Im Dezember 2024 konnte Tropical Islands seinen zwanzigsten Geburtstag feiern, dabei hat es erst ein paar Jahre gedauert, bis sich wirtschaftlicher Erfolg einstellte. Das Konzept, unter einem Hallendach ein Spaßbad samt Indoor-Regenwald zu einer künstlichen Tropenwelt zu formen, lockt inzwischen aber jährlich um die 1,2 Millionen Besucher und Besucherinnen an. Damit ist das Tropical Islands nach der Therme Erding in Bayern der zweitbeliebteste Wasserpark in Deutschland und gehört zu den fünf bestbesuchten in Europa.

An dem Tag, an dem man selbst hier ist, ist das Riesenzelt noch lange nicht an seiner Auslastungsgrenze angekommen. Und trotzdem wirkt es so trubelig wie an einem von Overtourism geplagtem Ort an der Adriaküste in den Sommerferien.

Selbst in der Saunalandschaft – nach Angaben des Unternehmens der größten Europas – kann man sich dem Lärmpegel in der Halle kaum entziehen, auch wenn dezent eingesetztes Ambientmusikgeplätscher in den diversen Schwitzräumen dabei helfen soll. Wenn irgendwo in der Halle, im „Tropendorf“ oder auf dem Shoppingboulevard mal wieder ein „Happy Birthday“ angestimmt wird – Geburtstagskinder jeden Alters zahlen keinen Eintritt im Tropical Islands –, hört man das in jeder der Saunen.

Die Simulation einer tropischen Atmosphäre, vielleicht sogar eines Lebensgefühls, das ist das Ziel von Tropical Islands. Auf einem Wegweiser im Eingangsbereich erfährt man, dass die Strecke von hier bis nach Palm Beach 7.962 Kilometer beträgt und die nach Bali 9.443 Kilometer. Was dem Tropical-Islands-Besucher wohl vermitteln soll: Klar, auch diese Destinationen klingen gut, aber ungefähr dasselbe wie dort gibt es auch hier für weit weniger Reiseaufwand.

Alles ist Illusion und Fake in dieser Halle. Und es wird sich noch nicht einmal besonders viel Mühe gegeben, diesem Eindruck entgegenzuarbeiten. Am sogenannten Südseestrand planscht man vor der Kulisse eines aufgemalten Himmelpanoramas mit Schäfchenwolken, womit man sich vorkommt wie in den Kulissen des Films „Truman Show“. In der Mitte der Halle erhebt sich der sogenannte Regenwald. Nach Auskunft des Unternehmens der größte Indoor-Regenwald der Welt. Ein Schild am Wegesrand weist darauf hin, dass angeblich mit querenden Schildkröten zu rechnen sei, in einem Tümpel sieht man ein paar Flamingos, und um einen herum wachsen allerlei exotische Pflanzen. Aus versteckten Lautsprechern ertönt ein ständiges Gesurre und Gesummse, ein Regenwaldsound aus der Konserve. Dazwischen ein altes Autowrack und der Korb eines Heißluftballons. Der Regenwald ist ein Ort für Abenteuer, so die Botschaft. Verbunden mit der Einladung, sich einen Moment lang selbst wie Indiana Jones fühlen zu dürfen.

An der einen Stelle befindet sich eine Buddhastatue, womit man sich in Ostasien wähnen soll, ein paar Meter weiter werden schon wieder eher Klischees einer Südsee­insel bedient

Für den Regenwald, aber letztlich für die ganze Halle gilt, dass das inszenierte Tropenfeeling seltsam lokal entwurzelt vermittelt wird. An der einen Stelle befindet sich eine Buddha­statue, womit man sich in Ostasien wähnen soll, ein paar Meter weiter werden schon wieder eher Klischees einer Südseeinsel bedient.

Bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Sprecher von Tropical Islands ist der nicht besonders begeistert, als man sagt, man wolle im Auftrag der taz gerne mal vorbeischauen. taz-Leser und taz-Leserinnen seien eher nicht die Zielgruppe des Unternehmens, sagt der. Und man versteht jetzt auch besser, warum er dieser Meinung ist. Tatsächlich muss man als taz-geschulter Besucher schon ziemlich tapfer sein in dieser Halle. Schon das Grundkonzept von Tropical Islands ist eines, das voll auf kulturelle Aneignung setzt. Im „Regenwald“ erfährt man dann auf einer Tafel von Christoph Kolumbus’ Reisen auf seiner Suche nach Amerika. Kolumbus wird dabei als abenteuerlustiger „Entdecker“ beschrieben. Von den seinen „Entdeckungen“ folgenden Kolonialisierungen und Genoziden ist natürlich keine Rede.

Eine große Frage ist auch, ob man sich in den Zeiten der Klimakrise überhaupt noch solch einen energieintensiven Tropen-Budenzauber leisten soll oder kann. Der tägliche Gasverbrauch im Tropical Islands entspricht immerhin dem von 4.000 durchschnittlichen Haushalten.

Wenn man sich mit ein paar Besuchern und Besucherinnen hier unterhält, zählen diese Dinge von Kolumbus bis zum Energieverbrauch eher nicht so. Ein Familienvater aus Mannheim, der seinen Camper auf einem der Parkplätze draußen aufgestellt hat, sagt, man sei nun vier Tage, also so richtig zum Urlaub hier gewesen, und das schon zum zweiten Mal. Eine aus der Ukraine stammende und nun in Brandenburg lebende Familie war zum Tagesausflug hier, ein Pärchen aus Belarus, das in Berlin wohnt, ebenfalls. In beiden letzteren Fällen wurden Geburtstage im Tropical Islands gefeiert. Und alle sagen, es sei uneingeschränkt „einfach nur wunderbar“ hier gewesen.

Es gäbe ja durchaus Überlegungen, wegzukommen vom klimaschädlichen Gas, sagt der Tropical-Islands-Sprecher. Windräder seien denkbar oder Solaranlagen. Doch das seien teure Investitionen, außerdem sei es nicht so leicht, hier im Naturschutzgebiet für solche überhaupt Genehmigungen zu bekommen. In den nächsten Jahren jedenfalls werde es erst einmal so weitergehen wie bisher.

Aber wer, egal ob im Winter oder im Sommer, in die echten Tropen fliegt oder auch nur nach Mallorca, wird am Ende seines Urlaubs kaum eine bessere Umweltbilanz haben als ein Besucher von Tropical Islands. Und vielleicht nehmen ein paar von dessen Besuchern und Besucherinnen als positiven Effekt immerhin das diffuse Gefühl mit nach Hause, dass auch der echte Regenwald etwas Tolles und damit unbedingt sehr Schützenwertes ist.

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