: Kursk wird zum Problem für den Kreml
Eigentlich wollte Putin die ukrainischen Truppen schon im Oktober zurückgedrängt haben
Von Marco Zschieck
Ob etwas als erfolgreich angesehen wird, hängt davon ab, was das eigentliche Ziel ist. Kremlherrscher Wladimir Putin hatte von seiner Armee gefordert, dass die ukrainischen Truppen bis Oktober aus der russischen Region Kursk vertrieben werden sollen. Dann wurde der Termin auf Ende Oktober verschoben. Nun ist bald Weihnachten und die Ukrainer halten nach wie vor einen Teil der Region besetzt. Dass die Lage in Kursk für den Kreml problematisch ist, zeigt auch, dass Russland offenbar die Unterstützung nordkoreanischer Truppen dort braucht. Wie der ukrainische Präsident Selenskyj am Samstag bekannt gab, seien diese nun in großer Zahl zum Einsatz gekommen.
Die ukrainische Armeeführung kann immerhin als Erfolg verbuchen, den Kampf nach Russland hineingetragen zu haben. Angeblich habe man damit wiederum eine russische Offensive in die ukrainische Region Sumy verhindert. Beim Ziel, russische Truppen aus dem Donbas abzulenken, sieht es schon unklarer aus: Die dortige Offensive der Russen hat seit dem Sommer nicht an Tempo verloren – im Gegenteil. Doch immerhin rund 50.000 Soldaten soll der Kreml laut britischen Geheimdienstinformationen in Kursk zusammengezogen haben. Die hätten auch im Donbas eine Menge Schaden anrichten können.
Die Frontlinie in der Region Kursk ist seit mehreren Wochen recht statisch, trotz intensiver Kämpfe. Im Oktober hatten russische Eliteeinheiten beinahe die Hälfte des von den Ukrainern im Sommer besetzten Gebiets zurückerobert. Aber die Stadt Sudscha, ein Verwaltungszentrum und Verkehrsknoten, ist nach wie vor in der Hand der Ukrainer. Bewegung gab es in den zurückliegenden Tagen lediglich im Südosten des Gebiets, wo die russische Armee die Kontrolle über das Dörfchen Plekhovo übernahm.
Im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs kommt Kursk inzwischen nicht mehr am Anfang vor. Am Samstag hieß es darin, die Operation dauere an. 21 russische Angriffe am Boden seien in dem Gebiet abgewehrt worden. Die russische Luftwaffe bombardiere russische Siedlungen. Es habe außerdem zwölf Luftangriffe mit 18 Gleitbomben gegeben.
Auch wenn sich die Kampfhandlungen überwiegend auf russischem Territorium abspielen, wirken sie sich auch auf das ukrainische Hinterland aus. Die Stadt Sumy ist das administrative und wirtschaftliche Zentrum der gleichnamigen Region. Die Stadt hat rund eine viertel Million Einwohner. Knapp 40 Kilometer sind es zur russischen Grenze auf dem kürzesten Weg. Luftalarm gibt es täglich mehrfach. Ein Grund dafür ist, dass aus Stützpunkten in der russischen Region Kursk auch die Shahed-Drohnen iranischer Bauart starten, die Russland in wachsender Zahl tief in die Ukraine fliegen lässt. Viele davon überfliegen Sumy nur, aber das weiß man natürlich erst hinterher.
Luftangriffe sowie Beschuss mit Artillerie oder Drohnen auf die Grenzdörfer hat es auch schon vor der ukrainischen Offensive im Sommer gegeben. Doch seitdem hat sich die Bedrohung intensiviert. Am Freitag meldete der Stadtrat auf seinem Telegramkanal 32-mal Beschuss. 53 Explosionen seien aufgezeichnet worden, in der Nacht zu Samstag 43 Explosionen. Vier Drohnen hab die Luftabwehr in der Region vom Himmel geholt. Den schlimmsten Angriff verübten die russischen Truppen am 17. November, als eine Rakete ein mehrstöckiges Wohnhaus traf: Elf Tote Zivilisten waren die Folge, darunter zwei Kinder.
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