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Anne Haeming Der WochenendkrimiWenn Hercule-Poirot-Krimis so vertraut wirken wie Festtagsbraten

Wer über die Feiertage an jenen Ort fährt, wo noch Bücher stehen, die seit den eigenen Kindheitstagen dort im Wohnzimmerregal einstauben, kann ja mal nachschauen: Sind die Krimiklassiker noch am selben Platz, die Buchrücken voller Faltspuren, einst festgekrallt wegen der Spannung beim Lesen? Also die alten Agatha-Christie-Taschenbücher, egal ob es die rot-schwarzen Goldmann-Bände sind oder eine der bb-Ausgaben mit den gezeichneten Covern? Krimis, die so exzellent sind, dass sie auch jetzt, ein Jahrhundert nachdem Christie sie schrieb, besser sind als der meiste andere Kram des Genres?

Vorlagen, die so großartig sind, dass man sie auch in Filmadaptionen kaum verhunzen kann – bis Kenneth Branagh als Regisseur in den vergangenen Jahren(2017 bis 2023) in drei Filmen zeigte: Oh ja, das geht sehr wohl, mit sich selbst als Hercule Poirot noch dazu. Ja, nee, Finger weg von Klassikern! Weil sie wie ein Nach-Hause-Kommen wirken. Wie die Poirot-Verfilmungen mit dem schmalzlockigen Peter Ustinov (1978 bis 1988) in der Hauptrolle, Bauch immer voran.

Auch wenn Branagh das offenbar leider nicht weiß, die Programmredaktion von ZDF­neo hat’s kapiert – und zeigt am 4. Adventswochenende „Tod auf dem Nil“ (Regie: John Guillermin) von 1978 und „Das Böse unter der Sonne“ (Regie: Guy Hamilton) von 1982 hintereinanderweg, ja, Samstag UND Sonntag. Absolut zu Recht.

Zwei, drei Tote und Tonnen an Eifersucht, Geldgier, Rachsucht und verschlungene alte Verbindungen an Bord

Zum Glück vergisst man ja über die Jahre genug, sodass einem allein der Blick auf die Besetzung des Flussdampfer-Kammerstücks Glückstränen in die Augen treiben kann: David Niven, Mia Farrow, Jane Birkin, Angela Lansbury, Maggie Smith, Bette Davis – der Hammer. Und wer dann gleich weiterschaut, nicht wundern, nicht nur das Sommerurlaubsgefühl setzt sich in „Das Böse unter der Sonne“ fort, auch ein Gutteil des Ensembles taucht wieder auf, in anderen Rollen.

Es ist wie mit den Klößen, dem Rotkraut, der Gans, dem Kartoffelsalat mit Würstchen, der Forelle blau, dem Fondue, dem Baumschmücken: Gibt es nur einmal im Jahr, wirkt trotzdem immer vertraut. Die genaue Zutatenliste braucht’s da gar nicht, das gemütliche Kaminfeuergefühl stellt sich so oder so ein.

Drum sind auch die Details von „Tod auf dem Nil“ (den anderen hebe ich mir auf für eine spätere Kolumne, habe ich beschlossen) egal, aber: über zwei Stunden, die gemächlich geschnitten sind, Szenen, in denen viel geschaut statt geredet wird, ohne dass es fad wirkt, mit ein, zwei, drei Toten, schmauchenden Revolvern, die x möglichen Mordversionen gleich miterzählt. Bis zum üblichen Finale, wenn der Meisterdetektiv im Kreise der Verdächtigen erzählt, was wirklich passiert ist. Mit Tonnen an Eifersucht, Geldgier, Rachsucht, verschlungene alte Verbindungen an Bord. Und Frauenfiguren, das konnte Christie richtig gut, die sich einen Dreck um gesellschaftliche Konventionen scheren. Noch dazu so brillant gespielt wie von Maggie Smith oder Angela Lansbury.

Und weil’s zur Weihnachts-Krimi-Kolumnentradition an dieser Stelle inzwischen dazugehört: Wer braucht einen der chronisch nervigen Schweiz-„Tatort“, wenn es stattdessen Agatha Christie gibt – irgendein Band staubt sicher im Bücherregal vor sich hin.

„Tod auf dem Nil“, Sa.

20.15 Uhr und So. 23.45 Uhr, ZDFneo

„Das Böse unter der Sonne“, Sa. 22.30 Uhr und Mo. 2 Uhr, ZDFneo

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