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Blutleere Wissenschaft

Auch die Wissenschaftsinstitutionen sind von Kürzungen betroffen – allen voran kleine Institute und Studierende

Als der schwarz-rote Senat vergangene Woche seine milliardenschwere Kürzungsliste veröffentlichte, wurde schnell klar: Es trifft viele hart. So auch die Berliner Wissenschaft. 250 Millionen Euro sollen in dem Bereich eingespart werden. Ein Löwenanteil von 100 Millionen Euro entfällt auf die Hochschulen. Dafür müssen wohl die eigentlich bereits geschlossenen Verträge zwischen Senat und Hochschulen nachverhandelt werden. Das teilte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) Anfang der Woche bei einer Veranstaltung des Tagesspiegel mit.

Ein weiterer Verlierer der schwarz-roten Kürzungsorgie ist das Quantenforschungszentrum Berlin Quantum Alliance. Einst Aushängeschild des Wissenschaftsstandorts Berlin, soll ihm nun die Förderung von rund 6 Millionen Euro komplett gestrichen werden.

Auch bei den kleineren Fischen im Wissenschaftsteich wurde der Rotstift angesetzt. Dazu gehört das Institut für angewandte Forschung (IFAF), welches die Forschung der staatlichen Fachhochschulen bündelt und fördert. Gemeinsam mit Unternehmen bringt es vor allem anwendungsorientierte Kooperationsprojekte auf den Weg. Seit 15 Jahren gibt es das IFAF – jetzt wird „ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen“, so die Vorstandsvorsitzende Gesine Bär: 2,4 Millionen Euro weniger soll das IFAF bekommen. Damit bleibt dem Institut für 2025 nur eine schmale Million. Geld, mit dem sie geradeso alte Projekte abschließen, aber keine neuen anregen könnten.

„Von den Kürzungen haben wir aus der Zeitung erfahren“, berichtet Bär. Ganz überraschend kamen sie jedoch nicht. Weil viele Gelder im Wissenschaftsbetrieb nur schwer eingespart werden können, weil sie etwa durch Hochschulverträge gebunden sind, hatten Bär und ihre Kol­le­g:in­nen bereits Worst-Case-Szenarios durchgespielt.

Eines davon wird das IFAF wohl künftig erwarten: Sie seien zwar an der Insolvenz vorbeigeschlittert, trotzdem wären die Kürzungen wie ein „K.o.-Schlag“ für das Institut, so Bär. Die Kürzungen würden aus ihnen ein „blutleeres Institut“ machen. „Wir brauchen ein Berliner Bekenntnis für angewandte Forschung.“

Auch die Leiterin der IFAF-Geschäftsstelle, Birgit Engel, ist enttäuscht: „Die Stärkung von Innovation und Transfer ist in aller Munde – wir leben sie jeden Tag.“ Doch ohne ausreichende Finanzierung stünde die Zukunft ihres Instituts auf dem Spiel.

Neben Unis und Forschungsinstituten trifft es auch die Studierenden. Ihnen wird der Gürtel indirekt enger geschnallt, weil der Senat dem Studierendenwerk ein Drittel der Zuschüsse kürzt. Die bislang zugesagten 22 Millionen Euro sollen um 7,5 Millionen Euro reduziert werden. Wie das IFAF erfuhr auch das Studierendenwerk aus der Zeitung davon. „Weil vom Land weniger Geld kommt, müssen sich Studierende auf eine Erhöhung des Sozialbeitrags einstellen“, sagt Jana Judisch, Pressesprecherin des Berliner Studierendenwerks, der taz. Bislang liegt er bei 63 Euro. Im Raum steht eine Erhöhung um mindestens 30 Euro, also etwa 50 Prozent.

Damit nicht genug. Obwohl dringend nötig, wird die Sanierung der Wohnheime weitestgehend aufgeschoben. „Sanieren ist momentan Luxus“, sagt Judisch. Auf dem Prüfstand stehen auch diverse Angebote des Studierendenwerks: psychosoziale Unterstützung, Kulturveranstaltungen, günstiges Mittagessen. Wie sich die Kürzungen konkret auf die Studierenden auswirken, wird sich erst in den nächsten Wochen entscheiden.

Als Sofortmaßnahme veranlasste das Studierendenwerk eine Preiserhöhung beim Tagesgericht in der Mensa. 1,75 € statt 1,45 € soll es ab 1. Januar kosten. Für Studierende, die durch hohe Mieten und steigende Lebenshaltungskosten ohnehin prekär leben, sind das keine Peanuts.

So unterschiedlich die verschiedenen betroffenen Institutionen, so einheitlich ihre Hoffnung: dass sich die Senatsverwaltung doch noch umstimmen lässt und die Einsparungen nachverhandelt werden können. IFAF und Studierendenwerk hoffen außerdem auf verstärkte Planungssicherheit für die nächsten Jahre.

Jana Judisch drückt es so aus: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

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