: Noch bis Merz im Amt
Scholz spricht zum ersten Mal Klartext: Ampel aus, Lindner raus! Nur der genaue Termin für Neuwahlen ist noch offen2–5, 12, 20
Drei Jahre nach ihrem Start als „Fortschrittskoalition“ und mit fröhlichen Selfies ist die Ampel Geschichte, und die Frage ist, ob das erst – oder ausgerechnet jetzt passiert ist.
Olaf Scholz entlässt den Finanzminister und hält dabei seine beste Rede als Bundeskanzler. Der Schritt war offenbar wohl überlegt, denn er hat einen klaren Plan, was jetzt folgen soll: Bis Weihnachten will er die wichtigsten Gesetze in den Bundestag einbringen. Mitte Januar will er die Vertrauensfrage stellen, damit es Ende März Neuwahlen gibt – nach den Bürgerschaftswahlen in der SPD-Hochburg Hamburg. Mit diesem Zeitplan setzt Scholz den Oppositionsführer unter Druck. Zieht Friedrich Merz jetzt bei den Reformen mit, stärkt er seinen Konkurrenten. Boykottiert er sie, wird Scholz ihm vorwerfen, dass ihm Parteitaktik wichtiger ist als das Wohl des Landes.
Nach dem Wahlsieg von Donald Trump hatten viele erwartet, dass sich die Bundesregierung zusammenraufen würde. Doch dafür war es zu spät: Da gewinnt ein Rechtsextremist die Wahlen in der mächtigsten Demokratie der Welt, und der deutsche Finanzminister will seinen Koalitionspartnern den Ordoliberalismus erklären. Diese Koalition ist nicht an ein paar Milliarden im Haushalt gescheitert. Lindner war längst in den Wahlkampfmodus übergegangen. Nun ist auch Scholz zum Wahlkämpfer mutiert.
Bleibt die Frage, warum er erst jetzt erkannt hat, dass mit dieser FDP kein Staat mehr zu machen war, in einer Wirtschaftskrise und mit einem Krieg in Europa. Und ob die WählerInnen ihm das bei den Neuwahlen noch vorwerfen werden.
Am 20. Januar wird Donald Trump vereidigt. Und es ist eine absurde Vorstellung, dass der Bundeskanzler über die Marktplätze tourt, während Trump die Weltordnung verändert. Das Timing ist schwierig. Doch ein „Weiter so“ wäre schlimmer gewesen. Denn eine Lehre aus Trumps Wahlsieg ist: Mitte-Parteien, die sich durchwurschteln, haben gegen den Rechtspopulismus keine Chance.
Die Ampel ist Geschichte. Das Ende kam nach Monaten der Agonie nicht unerwartet. Nur der dramatische Termin am Tag nach Trumps Sieg wirkt für die sachliche, auf Stabilität bedachte, emotional untertourige bundesdeutsche Politik fast melodramatisch.
Die Ampel ist jedoch nicht am Mittwoch gescheitert, sondern am 15. November 2023, als das Bundesverfassungsgericht urteilte, 60 Milliarden Euro ungenutzter Coronakredite dürften nicht für Klimatransformation benutzt werden. Die Geschäftsgrundlage der Ampel war ruiniert, das Gezerre um den Haushalt die Folge.
Entscheidend für das Scheitern der Ampel waren zwei Gründe. Einerseits wollen WählerInnen lautlos und schmerzfrei regiert werden – Merkel hat dieses Prinzip perfektioniert. Aber das Publikum wählt nicht mehr Union und SPD plus kleinere Partner wie früher, sondern auch mal AfD oder BSW. Künftig wird es weitere lagerübergreifende Koalitionsregierungen geben, in denen es krachen wird. Das verdrießt das Publikum, dessen schlechte Laune somit strukturell ist.
Der zweite Grund ist noch wichtiger. Mit der Ampel ist der holprige Versuch gescheitert, eine einigermaßen liberale, einigermaßen klimafreundliche und einigermaßen auf sozialen Ausgleich bedachte Politik in Zeiten eines rüden Rucks nach rechts zu machen. Die ernüchternde Lehre daraus lautet: Es gibt in Deutschland keine Mehrheiten mehr für ökosoziale Politik.
Der nächste Kanzler wird, wenn kein Wunder passiert, Friedrich Merz heißen, ein Wirtschaftsliberaler von vorgestern, taub für Klimapolitik und Soziales. Dazu prägt die AfD mehr und mehr das Meinungsklima der Republik. Man sollte besser keine hohen Summen darauf wetten, dass die politische Quarantäne gegen die Rechtsextremen von Dauer sein wird.
Das Scheitern der Ampel ist kein Grund zur Freude. Es markiert wahrscheinlich das Ende der langen kulturellen Hegemonie der Linksliberalen in der Bundesrepublik.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen