Neuaufstellung im Axel Springer Verlag: Bei Springer gilt mal wieder vorwärts durch rückwärts
Die „Bild“ wirft sich ins Wahlgetümmel: Mal für Pistorius, mal für Merz. Währenddessen kämpft Springer mit seinen gewaltigen Umbauten.
D as ist die größte Falle bei der Neuwahl“, schlagzeilte am Dienstag Bild online. Um dann mal ernüchtert zu berichten, dass die Wahlzettel wohl doch rechtzeitig fertig werden. Da schreibt das Blatt in den letzten Tagen derart für Boris Pistorius als letzte Hoffnung der SPD, um sich dann scheinheilig hinter Olaf Scholz zu stellen und zu kommentieren: „Unsere Spitzenpolitiker haben die Sache geklärt wie bei einer ‚Kneipenschlägerei‘. Würdelos!“
Als wäre Scholz schon weg vom Fenster. Der findet dagegen allmählich seine hanseatische Ironie wieder und entschuldigte sich am Sonntag in seiner Videobotschaft beim 75. Jubiläum des Deutschen Journalistenverbands. Er habe ja eigentlich persönlich kommen wollen, aber ihm sei „letzten Mittwoch was dazwischengekommen“. Aber garantiert keine „Kneipenschlägerei“, das ist nicht Scholz-Niveau.
Weshalb Bild schon mal Friedrich Merz zum nächsten Kanzler erklärt, aber lieber Christian Lindner als Quelle vorschiebt. Der wiederum will ja Finanzminister bleiben, was wohl bedeutet, dass die FDP demnächst noch ein paar Austritte zu verkraften hat.
All das lenkt nur davon ab, was Springer demnächst zu verkraften hat. Beziehungsweise, je nach Sicht der Betroffenen, seinen Mitarbeiter*innen zumutet. Neuwahlen und/oder Februar hin- oder her, bei Axel Springer stehen die nächsten Umbauten unmittelbar bevor. Bild kommt dank großer Klappe mit der sogenannten roten Gruppe noch mal ungeschoren davon.
Da hilft nur trinken
Bei der „blauen Gruppe“ hilft nur noch trinken. Was von Springer übrigblieb, soll auf absehbare Zeit verschmelzen. Aus Welt, Politico und Business Insider mach eins. Die Führung dürfte Politico übernehmen, die anderen machen als Hülle weiter, übernehmen ein paar Inhalte und der Rest darf gehen. Vor allem vom Personal.
Bei der Betriebsversammlung am Dienstag, bei der viele schon mit dem Schlimmsten gerechnet hatten, blieb die Katze noch im Sack. Immerhin, Business Insider werde es allein schwer haben, hieß es. Die Welt kennt das Gefühl, schließlich hätte sie ohne den jahrzehntelangen Transfer von Money, Money, Money aus Richtung Bild längst die Grätsche gemacht.
Für die ganz großen Grätschen bei Springer ist sowieso Mathias Döpfner zuständig, der sich noch größer Politico aufs Verlegerherz hat tätowieren lassen. Die nächsten Grausamkeiten darf dann nicht mehr der smarte Pressechef Adib Sisani verkaufen, der wie die „People und Culture“-Vorständin Niddal Salah-Eldin das Weite gesucht hat – sondern Peter Huth, der gut abgehangene Corporate Creative Director der Welt.
Bei Springer ist Schluss mit internationaler Diversität. Es gilt wieder das gute alte Motto „Vorwärts durch rückwärts“. Die Bild glaubt ja immer noch, sie könne Politik machen. „Oder auch, dass es in jedem Land zu viele Schurken und zu wenig Fachkräfte gibt“, sagt die Mitbewohnerin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“