: Debatte um Wahltermin geht weiter
Die Bundeswahlleiterin warnt in einem Brief an den Kanzler vor Eile. Die Union wittert Einflussnahme
Im Streit über den Termin für Neuwahlen hat Bundeswahlleiterin Ruth Brand den Unions-Vorwurf einer Einmischung des Kanzleramtes zurückgewiesen. Die Bundeswahlleiterin sei ein unabhängiges Wahlorgan und nicht an Weisungen, sondern an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, erklärte ihr Sprecher. „Es gab auch keine Weisung oder Einflussnahme auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen“, stellte er klar.
Es sei Aufgabe der Bundeswahlleiterin, die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung bundesweiter Wahlen sicherzustellen und hier auch auf Risiken hinzuweisen. Das habe Brand in einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getan, so der Sprecher.
Brand hatte in dem Brief an Scholz vor „unabwägbaren Risiken“ durch kürzere Fristen gewarnt. Gemäß Artikel 39 muss der Bundestag nach Auflösung des Parlaments durch den Bundespräsidenten innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden. Brand will die Frist voll ausschöpfen, „um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können“.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, hatte dem Kanzleramt daraufhin vorgeworfen, die Bundeswahlleiterin Ruth Brand instrumentalisiert zu haben. Brand war Anfang 2023 als Präsidentin des Statistischen Bundesamtes vom SPD-geführten Bundesinnenministerium berufen worden und nimmt in dieser Funktion auch das Amt als Bundeswahlleiterin ein.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nannte die Aussagen der Bundeswahlleiterin „skandalös und beschämend“. „Ein Land wie Deutschland muss in der Lage sein, auch innerhalb von 60 Tagen Wahlen durchzuführen“, sagte Linnemann der Zeitung Bild am Sonntag.
SPD-Chef Lars Klingbeil warnte dagegen vor einer überhitzten und parteitaktischen Debatte über den vorgezogenen Termin für die Bundestagswahl. „Diese Debatte wird mir gerade viel zu aufgebauscht, zu emotional geführt“, sagte der Parteivorsitzende. Es müsse in den nächsten Tagen darum gehen, unter den Parteien und Fraktionen im Bundestag zu klären, wann diese Wahl organisatorisch möglich ist. Klingbeil rief dazu auf, dabei die Einschätzung von Expertinnen und Experten wie der Bundeswahlleiterin, der Landeswahlleiter sowie aus den Rathäusern anzuhören und einzubeziehen.
Wie ihr Sprecher bestätigte, soll es am Montag eine Besprechung der Bundeswahlleiterin mit den Landeswahlleiter*innen zur Vorbereitung der Bundestagswahl geben.
(taz, rtr, dpa)
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