Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien: Betroffene müssen weiter hoffen
Am Bundesverfassungsgericht und in der Bundesregierung soll die Anerkennung der Mitmutterschaft in diesen Tagen beschleunigt werden. Doch es hakt.
Die Diskriminierung ist lange bekannt: Wenn eine heterosexuelle Ehefrau ein Kind bekommt, wird der Ehemann automatisch rechtlicher Vater, selbst wenn er an der Zeugung des Kindes nicht beteiligt war. Dagegen wird in einer lesbischen Ehe die Ehefrau der gebärenden Mutter nicht automatisch Mitmutter. Die Ehefrau müsste das Kind erst adoptieren und sich dabei vom Jugendamt überprüfen lassen. Viele finden das stigmatisierend.
Auf zwei Wegen wird derzeit versucht, diese Diskriminierung zu beenden. Am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) liegen sechs Fälle zur Prüfung vor. Außerdem hat sich die Ampelkoalition eine gesetzliche Reform vorgenommen. Doch auf beiden Wegen hakt es.
Das Ehepaar Catherine K. und Christin G. hat im September 2022 Verfassungsbeschwerde erhoben, weil G. nicht als Mitmutter des von K. geborenen Kindes Mischa anerkannt wurde. Das BVerfG hat über die Verfassungsbeschwerde bisher ebenso wenig entschieden wie über die fünf parallelen Richtervorlagen.
Untätigkeit in Karlsruhe
Weil der federführende Richter Henning Radtke bei einer Tagung im Juli 2024 gesagt haben soll, die Co-Mutterschaft sei eher eine Entscheidung für den Gesetzgeber als für das BVerfG, lehnen die Klägerinnen Radtke nun wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Für eine Voreingenommenheit Radtkes spreche auch, dass er in der gleichen Zeit das Verfahren eines unehelichen biologischen Vaters vorangetrieben hatte, der nicht rechtlicher Vater werden konnte.
Der Befangenheitsantrag wurde von der Anwältin Lucy Chebout und den Rechtsprofessorinnen Anne Sanders und Dana-Sophia Valentiner verfasst. Er wird von der Organisation „Nodoption“ unterstützt, die Regenbogenfamilien im Kampf um gemeinsame Elternschaft ohne Adoption vertritt. Der Befangenheitsantrag hat allerdings wenig Aussicht auf Erfolg.
Dass wichtige Verfahren in Karlsruhe jahrelang liegen bleiben, ist nicht unüblich und daher kein Indiz für Voreingenommenheit. Es ist im Sinne der Gewaltenteilung auch durchaus naheliegend, dass die Verfassungsrichter erst einmal auf den Gesetzgeber wartet, wenn dieser ankündigt, er wolle einen möglichen Verfassungsverstoß selbst reparieren.
Blockade in Berlin
Immerhin heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP: „Wir werden das Familienrecht modernisieren. (…) Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist.“
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat erste Eckpunkte zum Abstammungsrecht im Januar 2024 vorgelegt. Im September wurde sein Gesetzentwurf fertig, doch aufgrund einer komplizierten Lage in der Bundesregierung liegt er derzeit auf Eis. So will Buschmann gleich ein ganzes Paket an familienrechtlichen „Modernisierungen“ ins Kabinett bringen.
Konkret geht es um Gesetzentwürfe zum Abstammungsrecht, zum Kindschaftsrecht und zum Unterhaltsrecht. Politische Probleme gibt es in der Ampel nur beim Unterhaltsrecht für Trennungskinder, wo Buschmann Väter, die sich mehr als 29 Prozent (und weniger als 50 Prozent) an der Kinderbetreuung beteiligen, erstmals bei den Unterhaltszahlungen entlasten will.
Die Grünen, insbesondere Familienministerin Lisa Paus, sind hier skeptisch, weil dies zu Nachteilen für alleinerziehende Mütter führen könnte. Solange die Grünen das Unterhaltsrecht blockieren, blockiert aber Buschmann das Abstammungsrecht mit der Zwei-Mütter-Familie, die wiederum den Grünen besonders am Herzen liegt.
Buschmann versucht es mit einem Kniff
Um nun Dynamik in die Sache zu bringen, hat Buschmann Anfang Oktober alle drei Gesetzentwürfe informell an die Bundesländer geschickt. Damit hat er ausdrücklich nicht die übliche Verbände- und Länderanhörung gestartet, die erst nach der ersten Kabinettsbefassung möglich ist, sondern ein ganz neues Verfahren erfunden. Die Länder geben auch noch keine Stellungnahmen ab.
Vielmehr hat Buschmann die Landesjustizministerien für den 25. Oktober, also den kommenden Freitag, zu einer Diskussion der Entwürfe eingeladen. Nach taz-Informationen wird die Online-Besprechung auf Arbeitsebene erfolgen und rund zwei Stunden dauern.
Ob dieser Kniff dazu führt, die Verhandlungsbereitschaft auf Bundesebene zu fördern, wird sich zeigen. Inzwischen ist es auch denkbar, dass sich die Ampelregierung nicht einmal mehr in gesellschaftspolitischen Fragen einigen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl