piwik no script img

Krankenhausreform beschlossenDie Reform ist notwendig, ihre Finanzierung aber ungerecht

Kommentar von Amelie Sittenauer

Um das Kliniksterben abzuwenden, braucht es eine Reform. Dass dafür aber ausschließlich gesetzlich Versicherte zahlen sollen, ist nicht vermittelbar.

Blick in einen OP-Saal in der Rettungsstelle vom Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, Berlin Foto: Jens Kalaene/dpa

D ie Krankenhäuser in Deutschland müssen sich verändern. Es gibt zu viele von ihnen, die wiederum sind zu teuer, und auch ihre Qualität lässt zu wünschen übrig. Dazu geraten immer mehr Häuser in eine finanzielle Schieflage. Wird die flächendeckende Gesundheitsversorgung also nicht kontrolliert umgebaut, müssten mittelfristig viele Kliniken schließen. Insbesondere auf dem Land hätte das dramatische Folgen.

Eine Krankenhausreform ist also notwendig. Darüber besteht weitestgehend Konsens, auch wenn sich verschiedene Interessengruppen, Parteien und Länder im Einzelnen uneinig sind. Am Donnerstag hat der Bundestag das Gesetz beschlossen.

Passiert die Reform im November den Bundesrat – das ist nicht sicher, einige Länder wollen das Gesetz noch mal verhandeln –, wird es künftig weniger, aber spezialisiertere Krankenhäuser geben. Der ökonomische Druck soll sinken, indem eine Basisfinanzierung die Betriebskosten größtenteils deckt. Im ländlichen Raum sollen kleinere, standortnahe Versorgungseinrichtungen und die Zusammenarbeit mit Fachärzten die Daseinsvorsorge gewährleisten.

Zusammen mit weiteren Gesetzen und Initiativen – der digitalen Gesundheitsakte, dem bundesweiten Klinikatlas, dem Pflegekompetenzgesetz und der Reform der Notfallversorgung – bringen die sonst so zerstrittene Ampelregierung und maßgeblich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine moderne Gesundheitsversorgung vieles auf den Weg. Das verdient Anerkennung.

50 Milliarden

Doch bleibt die Frage der Kostenverteilung. 50 Milliarden Euro soll die komplexe Transformation kosten, die das nächste Jahrzehnt andauern wird. Jeweils 25 Milliarden tragen die Länder und die gesetzlichen Krankenversicherungen. Die privaten Krankenversicherungen sind lediglich aufgerufen, sich freiwillig zu beteiligen.

Die privaten Kranken­versicherungen sind nur aufgerufen, sich freiwillig zu beteiligen

Das ist nicht gerecht. Die Bei­trags­zah­le­r:in­nen der gesetzlichen Krankenversicherung werden unverhältnismäßig belastet – für eine Reform der Gesundheitsinfrastruktur, von der auch Privatversicherte profitieren. Diese Woche wurde bekannt, dass die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung nächstes Jahr wohl um 0,8 Prozentpunkte steigen werden. Gemeinsam mit der Steigerung bei der sozialen Pflegeversicherung ist ein historischer Anstieg der Sozialbeiträge von mindestens einem Prozentpunkt zu erwarten.

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Strukturreform Grundlegendes infrage stellt. Viele Variablen sind ungewiss, das Ergebnis nicht in seiner Gänze absehbar. Sicher ist nur: Bis Ende der 2020er Jahre werden Veränderungen auf Patient:innen, Ärz­t:in­nen und medizinische Fachkräfte zukommen.

Damit diese Veränderungen von der Gesellschaft mitgetragen werden, müssen die Veränderungskosten auch alle mittragen. Nicht nur die gesetzlich Versicherten. Am einfachsten ginge das durch Steuermittel. Apropos grundlegend, man könnte natürlich auch das duale Krankenversicherungssystem infrage stellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Der Ruf nach den privat Versicherten ist einfach, aber letztlich nicht der beste Punkt. Privat versicherte bezahlen übers Versichertenleben betrachtet mehr als gesetzliche, sowohl Beiträge als auch für medizinische Leistungen. Ein befreundeter Arzt sagt mir, unisono mit seinen anderen Kollegen, dass die ohne die höheren Abrechnungssätze der Privaten die gesetzlich Versicherten mit deren geringeren Sätzen nicht mehr kostendeckend behandeln könnten.



    Und das Argument 0,8% Steigerung im Jahr.... jo mei, fragen Sie mal einen Privaten!



    Unser Problem ist dass bei einer fünfköpfigen Familie, Vater oder Mutter arbeitet, fünf Leute versichert sind. Ja, bei meiner Familie ist das durchgängig so.... Alle freuen sich, dass das so ist. Zugegeben.

  • Zwei Punkte möchte ich ergänzen: 1. Das Codierungssystem der Fallpauschalen zur Abrechnung müsste auch in den Fokus rücken. 2. Niederschwellige Therapiemöglichkeiten oder Vorsorge (Prophylaxe) statt sofortige teure (Gelenkoperation als Beispiel) verpflichtend einführen. Als Utopist würde ich das Gesundheitssystem aus dem kommerziellen System heraus nehmen. Ich halte viele Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge besser aufgehoben bei nicht gewinnorientierten Einrichtungen. Zudem würden sich hier Arbeitsmöglichkeiten entstehen, wie zum Beispiel für ein soziales Jahr oder für Bürgergeldempfänger ohne Arbeit.

  • weiterer neoliberale strukturen a la spd. soziale unglechheit gemacht von spd. spd veräppelt seit 100 jahren die leute und es ist eine idelogische farce das die gewählt wird und sich überhaupt so nenne darf!!!



    Ja, machen wir doch eine koalition mit der cdu ... cdu spd egal wenns um das wirklich wichtige geht. macht der elite darf ja nicht gebrochen werden und ja darf nicht an dem pseudo aufgeklärten neoliberalen dogma geändert werden. wo kommen wir denn da hin!!!

    • @Christian Will:

      Herr Will,

      können Sie auch sachlich was beitragen?

      • @HippieJonny:

        Ist zwar nicht sachlich aber umschreibt das Thema gar nicht so schlecht. Es beinhaltet unter anderem die Wahlkampfthemen welche jetzt SPD und Grüne jetzt hervorzaubern. Den beiden Parteien ist anscheinend in den letzten drei Jahren total entgangen, dass sie in der Regierung sind.

  • "von der auch Privatversicherte profitieren"

    Da fehlt das primär vor dem profitieren und auch kann weg. Es sind ja bekanntlich die Privatpatienten, welche umgarnt werden, während Kassenpatienten teils lange auf Behandlung warten müssen, und dann häufig auch klare Qualitätseinbußen bei der Behandlung hinnehmen müssen.

    Es ist eine Schweinerei, was in diesem Land abgezogen wird.

  • Ich bin wieder in die gesetzliche Krankenversicherung zurückgegangen. Dabei hat mich mein Arbeitgeber unterstützt. Die private Krankenversicherung ist im Alter unbezahlbar, es sei denn man ist Beamter.

    • @Lars Sommer:

      Ja, das nennt man dann Rosinenpickerei. Das soll gar nicht wertend sein. Warum nicht die Vorteile nutzen die man Nutzen kann. Es ist nur ein weiterer Fehler im System.

  • Der größte Teil der Abgeordneten ist privat versichert, die politischen Beamten sowieso. Wer sägt schon an dem Ast, auf dem er sitzt?

  • Privatversicherte zur Kasse zu bitten klingt verlockend.



    Aber vielleicht schauen sie Mal, was mit den gegenüber den Kassenzahungen um das Dreifache erhöhte Rechnungsbeträge so alles finanziert wird - gerade in den Krankenhäusen.

    Um es mal deutlich zu sagen: Warum muss ein Privatversicherter für exakt die gleiche medizinische Dienstleistung bis zu 3,5 mal soviel bezahlen wir die gesetzliche Krankenkasse ?



    Mengenrabatt ?

    • @Bolzkopf:

      Nicht der Privatversicherte zahlt den erhöhten / 3,5 fachen Satz, sondern die Versicherung. Diese wird wiederum durch die staatlichen Zahlungen für Beamte subventioniert.

      • @Karl Drit:

        Nicht alle in der PKV sind Beamte, aber sehr viele. Daher ist richtig, was Sie schreiben: der Steuerzahler alimentiert in erheblichem Ausmaß auch im Gesundheitswesen die deutliche Besserstellung der Beamten.

    • @Bolzkopf:

      In gewisser Hinsicht ist es tatsächlich eine Art "Mengenrabatt", ja. Über das Preisgefälle habe ich aufgehört, mich zu wundern.