Prozess um Umweltschutz: Norwegen will Fjord vermüllen
Die norwegische Regierung hat einem Bergbauunternehmen erlaubt seinen Grubenabfall im Gewässer zu entsorgen. Umweltschützer sind vor Gericht gezogen.
Die nötigen Genehmigungen für die Mülldeponie im Fjord hatte Nordic Mining nach und nach vom norwegischen Staat bekommen – 2022 meldete das Unternehmen, es werde nun mit dem Bau der Grube am Berg Engebø beginnen. Eine Klage des norwegischen Naturschutzverbandes und der Organisation „Natur og Ungdom“ scheiterte in erster Instanz.
Jetzt erhofft sich das Berufungsgericht mehr Klarheit durch eine Einschätzung aus Luxemburg: Wie genau ist die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die auch für das EWR-Land Norwegen gilt, auf diesen Fall anzuwenden? Und wenn die Regierung dabei einen Fehler gemacht hat: Sind die Genehmigungen dann ungültig?
Das ist die Hoffnung der klagenden Umweltschutzverbände. Vorab hatten sie sich optimistisch gegeben: Für eine Ausnahmeregelung gemäß der EU-Richtlinie reiche das Versprechen auf ein paar neue Arbeitsplätze und mehr Steuereinnahmen nicht aus, und diese Einschätzung werde auch von der EU-Kommission und EWR-Überwachungsorgan ESA geteilt.
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„Eine Ausnahmeregelung, würde den Sinn der Wasserdirektive, europäische Gewässer zu schützen, völlig untergraben“
Juristisch ging es nun um die Frage, was in der Richtlinie mit „übergeordnetem öffentlichen Interesse“ gemeint ist, das eine Ausnahme möglich machen könnte. Umweltorganisationen und EU-Kommission betonten vor Gericht erneut, dass die üblichen wirtschaftlichen Vorteile, die ein Ort durch die Ansiedelung privatwirtschaftlicher Unternehmen erfährt, nicht in diese Kategorie fallen. „Wenn das reichen würde für eine Ausnahmeregelung, würde das den Sinn der Wasserdirektive, europäische Gewässer zu schützen, völlig untergraben“, stellte Anwalt Amond Noss fest.
Die betroffene Gemeinde und die Region Sunnfjord könnten auch nicht als bedürftige, abgelegene Gegend beschrieben werden. Dass die Regierung dies als Grund für die wirtschaftliche Bedeutung der Grube anführte, kommentierte Noss in der Liveübertragung des Verfahrens mit: „Wir sind nicht beeindruckt.“
Die Arbeitslosigkeit sei dort traditionell ausgesprochen niedrig, die in der Bauphase angefallenen lokalen Arbeitsplätze seien temporär, die Grube bedrohe stattdessen andere Wirtschaftszweige wie den Tourismus. Noss betonte zudem, dass die Regierung ihre Argumentation nicht im Nachhinein verändern könne, um sie den Regeln anzupassen. Entscheidungsgrundlage für das Gericht müsse die Begründung zur Zeit der Genehmigungen bleiben. Lorna Armati, Vertreterin der EU-Kommission, gab ihm recht: „Im Nachhinein mit einer guten Geschichte zu kommen, das ist einfach nicht ausreichend.“
Die norwegische Regierung verweist auf die Nutzung des Rohhstoffs Rutil für die Waffenproduktion
Der Vertreter der norwegischen Regierung, Henrik Vaaler, hatte argumentiert, dass Rutil, welches Nordic Mining abbauen will, ein kritischer Rohstoff sei für die Titanproduktion und damit für Waffenproduktion unerlässlich. Er wies auf die aktuelle Sicherheitslage seit Beginn des Ukrainekriegs hin, als Begründung für ein übergeordnetes öffentliches Interesse dieses europäischen Rutilabbaus. Dieses Argument hatte bei der Erteilung der Genehmigung aber keine Rolle gespielt. Noss warf der Regierung vor zu unterschlagen, dass der allergrößte Anteil des weltweiten Rutilvorkommens für die Produktion weißer Farbpigmente benutzt würde, nicht für Titan.
Proteste gegen die Pläne gibt es seit 2014. Neben lokalen Akteuren und nationalen Naturschutzorganisationen hatte sich auch das staatliche Meeresforschungsinstitut in Norwegen gegen den geplanten Grubenabfall mit Schwefelsäure, Schwermetallen und Titan-Nano-Partikel im Fjord ausgesprochen.
Mit der Einschätzung des EFTA-Gerichtshofs rechnen die Anwälte im ersten Quartal 2025. Nach bisher geltender Genehmigung könnte Nordic Mining frühstens Mitte kommenden Jahres das Abfallrohr zum Fjord installieren.
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