EU-Gelder für Afrika: Milliarden ohne große Wirkung
2016 legte die EU einen milliardenschweren Hilfefonds für Afrika auf. Rechnungsprüfer bemängeln nun die Wirklosigkeit der Gelder.
Noch schwerer wiegt, dass „das Risiko von Menschenrechtsverletzungen nicht ausreichend berücksichtigt“ werde, so der Rechnungshof. „Wir konnten kaum Änderungen bei der zu breit angelegten Ausrichtung des Fonds feststellen“, sagte die zuständige Prüferin Bettina Jakobsen am Dienstag in Brüssel.
Beim EU-Nothilfefonds für Afrika handelt es sich um einen 2016 aufgelegten Sonderetat. Vor dem Eindruck der Flüchtlingsankünfte im Sommer 2015 sollte er erstmals im großen Stil Armutsbekämpfung, Migrationskontrolle und Sicherheits-Zusammenarbeit bündeln und dabei in Afrika die „Root Causes“, die Wurzeln irregulärer Migration, eindämmen. Nur eine bestimmte Gruppe von Ländern, die als Herkunfts- oder Transitregion irregulärer Migration für die EU wichtig sind, kann von dem Fonds profitieren. Alle Staaten südlich des Äquators etwa sind ausgeschlossen.
Der Fonds läuft 2025 aus. Bis dahin werden rund 5 Milliarden Euro über das Instrument ausgegeben worden sein. Es handelt sich im Wesentlichen um umgewidmete EU-Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit, die unter der Prämisse der Migrationskontrolle in neue Projekte flossen. Die Kommission behauptet, dass mit Mitteln des EUTF 311.000 Jobs geschaffen wurden und 28 Millionen Menschen Grundversorgung erhalten hätten.
Afrikanische Staaten ohne Mitspracherecht
Tatsächlich sind die Bilanzen zweifelhaft. Alle untersuchten EUTF-Projekte „lösten die dringendsten Probleme nicht“, heißt es im Bericht des EU-Rechnungshofs. Die Erfolge des EUTF würden „überschätzt“. Es sei nicht erkennbar ob sie dazu beigetragen hätten, „die Ursachen von Instabilität, irregulärer Migration und Vertreibung zu bekämpfen.“
Schon früh hatten auch afrikanische Regierungsvertreter:innen das EU-Instrument kritisiert – unter anderem, weil die afrikanische Seite bis heute im EUTF-Steuerungsgremium nur Beobachterstatus, kein Mitspracherecht hat.
Der Fonds dient letztlich vor allem dazu, afrikanische Staaten zur Zusammenarbeit bei der Migrationskontrolle zu bewegen. Dafür werden Entwicklungsgelder als Anreize geboten. Umgekehrt können Mittel bei unzureichender Kooperation, etwa bei Abschiebungen, auch entzogen werden. Mit der Einrichtung des EUTF begann eine schleichende Prämissenveränderung der EU-Außenpolitik. Die Entwicklungszusammenarbeit ist dabei nicht nur auf Armutsbekämpfung, sondern zunehmend auf Migrationskontrolle ausgerichtet. Der damalige EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker sprach von einer „ehrlichen Antwort auf die Wirklichkeiten unserer Zeit“.
Bereits 2018 hatten die EU-Rechnungsprüfer in einem ersten Gutachten eine stärkere Fokussierung der EUTF-Projektmittel angemahnt. Die Kommission ignorierte dies. Entsprechend fällt nun das Gutachten aus. Forschungsberichte zur Wirksamkeit des EUTF seien erst veröffentlicht worden „nachdem fast alle Mittel bereits zugewiesen worden waren, sodass sie sich kaum auf die Projekte auswirken konnten“, so der Rechnungshof.
Besondere Kritik an Libyen-Hilfen
Ein besonders kritischer Fall ist Libyen. Bisher flossen über 500 Millionen Euro – rund ein Zehntel der EUTF-Mittel – in das nordafrikanische Bürgerkriegsland. Menschenrechtsorganisation kritisieren das seit Jahren scharf, weil die in Libyen herrschenden Milizen schwerste Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen begehen. Auch der Rechnungshof übt Kritik an den EUTF-Projekten in Libyen. Er habe „eindeutige Hinweise“ darauf gefunden, dass eine Situationen eingetreten war, die zum Stopp der Projekte hätte führen müssen.
Doch die Kommission lasse die Libyen-Projekte weiterlaufen, um „das Leid der Migranten zu lindern.“ Allerdings habe die Kommission gar kein formelles Verfahren entwickelt, um dem Verdacht auf Menschenrechtsverletzungen nachzugehen, so der Rechnungshof. Es gebe „keine systematischen Nachweise darüber, dass entsprechende Vorwürfe ausreichend geprüft und bei der Entscheidung über die Fortführung oder Aussetzung der EU-Finanzierung berücksichtigt“ wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung