Auslieferung des Megaupload-Gründers: Kim Dotcom von Neuseeland ans FBI

Für den deutschen Internet-Entrepreneur schlägt wohl die letzte Stunde in Freiheit. Seiner Auslieferung an US-Behörden wurde zugestimmt.

Kim Dotcom, hier bei einer der vielen Gerichtsverhandlungen um seine Auslieferung von Neuseeland in die USA im Jahr 2012 Foto: Brett Phibbs/New Zealand Herald/ap

SYDNEY taz | „Ich liebe Neuseeland. Ich werde nicht gehen“. Kim Dotcom’s Reaktion auf dem Kurznachrichtendienst X auf die jüngste Meldung, der neuseeländische Justizminister Paul Goldsmith habe seiner Auslieferung an die USA zugestimmt, war kurz und auf den Punkt. Er werde diesen Entscheid anfechten, so einer seiner Anwälte – „die Welt schaut zu“.

Stunden zuvor hatte Goldsmith erklärt, er gäbe Dotcom eine übliche kurze Frist, den Entscheid zu überprüfen, bevor er vollstreckt werde. Doch damit unterschätzt der Politiker Dotcom's Team von Juristen. Zehn Jahre lang hatten diese mit Einsprachen und anderen Verzögerungen seine Auslieferung verhindert.

Ein Überprüfungsverfahren könnte Monate dauern, wenn nicht sogar länger. Der Auslieferungsbeschluss sei „zwar bedeutsam“, stelle aber lediglich einen weiteren Schritt in einem Prozess dar, der noch Jahre dauern dürfte, werden neuseeländische Medien zitiert.

Versuche von taz, mit dem heute 50-jährigen Dotcom über den Entscheid zu sprechen, schlugen fehl. Das war nicht immer so. Der über zwei Meter große, schwergewichtige ehemalige Hacker aus Kiel mit dem bürgerlichen Namen Kim Schmitz hatte es früher geliebt, sich selbst zu zelebrieren.

Dann kam die Razzia

Seit 2010 lebt er in Neuseeland. Spektakuläre Presseeinladungen auf einem millionenschweren Anwesen in einem Vorort von Auckland, ein schwarzer Hubschrauber auf dem englischen Rasen, Rolls Royce und Bentley in der Garage und ein Bett, dessen Matratze dem Jahresgehalt eines neuseeländischen Durchschnittsverdieners entsprach. Doch dann kam die Razzia.

Am 20. Januar 2012 knapp vor acht Uhr morgen stürmte eine Eliteeinheit der neuseeländischen Polizei mit Helikoptern, Panzerwagen und Hunden sein Anwesen. Die Beamten drückten dem verschlafenen Dotcom eine Waffe an die Schläfe, beschlagnahmten seine Autos und Computer, und nahmen ihn und seine drei Kollegen fest.

Seine File-Sharing-Seite Megaupload wurde auf Forderung des amerikanischen FBI geschlossen. Das Justizministerium in Washington hatte seine Auslieferung an die USA beantragt. Dotcom war von einer US-Grand Jury in mehreren Anklagepunkten angeklagt worden, darunter Internet-Betrug, Verschwörung zur Verletzung von Urheberrechten, Verschwörung zur Begehung von Erpressung und Geldwäsche.

Megaupload war eine Goldgrube

Er habe mit der Seite das Hoch- und Runterladen von urheberrechtlich geschützter Software, Musik und Filmen nicht nur er erlaubt, sondern aktiv gefördert. Konkret konnten Nutzer gegen eine Gebühr Material bei Megaupload in einem Online-„Schließfach“ deponieren und anderen sozusagen den Schlüssel dazu aushändigen.

Sollte Dotcom ausgeliefert werden, drohen ihm laut Goldsmith in den USA ein Prozess und gemäß Experten mehrere Jahrzehnte Haft. Laut dem Justizministerium soll Megaupload so einen geschätzten Schaden von weit über 500 Millionen US-Dollar verursacht und gleichzeitig über 175 Millionen US-Dollar an „illegalen Gewinnen durch Werbeeinnahmen und den Verkauf von Premium-Mitgliedschaften“ erwirtschaftet haben. Unbestritten ist: für Dotcom und drei weitere Europäer, Finn Batato, Mathias Ortmann und Bram van der Kolk, war Megaupload eine Goldgrube. Sie wurden Millionäre.

Später erklärten die neuseeländischen Richter zwar nicht nur die Razzia der Polizei als illegal. Der neuseeländische Geheimdienst habe Dotcom ohne richterliche Befugnis ausspioniert – auf Geheiß der Amerikaner. Sogar der damalige Premierminister musste sich beim Internet-Fürsten entschuldigen. Doch das Auslieferungsbegehren blieb auf dem Tisch.

Auch privat wenig Glück

Vor dem jüngsten Entscheid des Justizministers hatten Dotcom und seine drei Mitstreiter zehn Jahre lang die verschiedenen Hürden genutzt, die ihnen das neuseeländische Justizsystem bot. 2021 aber entschied der Oberste Gerichtshof, dass Dotcom tatsächlich ausgeliefert werden kann – und überließ damit die Entscheidung letztlich dem Justizminister

Das Schicksal wendete sich für Kim Dotcom nach diesem verhängnisvollen Tag im Januar 2012. Zwar startete er genau ein Jahr nach der Razzia einen weiteren Cloud-Speicherdienst namens Mega – in spektakulärer Manier, mit einer Riesenparty. Schon zwei Jahre später aber brach er alle Verbindungen mit Mega wieder ab. Schließlich gründete und finanzierte Dotcom die Internet Party, die bei den Parlamentswahlen in Neuseeland 2014 und 2017 aber keine Sitze gewann.

Auch privat hatte Dotcom wenig Glück. Von seiner Frau Mona, die Mutter seiner vier Kinder, trennte er sich 2014. Das Luxusanwesen tauschte Dotcom gegen ein Apartment in Auckland ein, später dann zog er in die Touristenstadt Queenstown auf der neuseeländischen Südinsel. 2017 machte er nochmals Schlagzeilen, als er die Verlobung mit der Universitätsstudentin Elizabeth Donnelly ankündigte. Auch mit ihr hat er ein Kind.

Stille gegenüber der Presse

2022 war für ihn ein trauriges Jahr: Finn Batato, sein Mitstreiter und „bester Freund“, wie er auf X schrieb, starb an Krebs. Ortmann und van der Kolk ließen sich offenbar auf einen Vergleich ein, in dem sie sich verpflichten, gegen Dotcom auszusagen. Im Gegenzug verurteilte ein neuseeländisches Gericht sie zu rund 2,5 Jahren Haft, während die Bemühungen der USA, sie auszuliefern, eingestellt wurden.

Obwohl sich Kim Dotcom seit Jahren nicht mehr gegenüber den Medien geäußert hat, ist anzunehmen, dass er an seiner Unschuld festhält. 2013 in einem Gespräch mit taz sprach er von einem „Testfall“ für die amerikanische Justiz, die unter dem Druck der politisch einflussreichen Hollywood-Filmindustrie handle.

„Hunderte von Konkurrenten“ wie Google Drive würden genau dieselben Dienste bieten wie Megaupload es getan habe. Nutzer könnten ihre Daten über das Internet auf einen Server abspeichern, „der irgendwo ist – in Deutschland, in Amerika“. Von dort können sie sie auch wieder abrufen, jederzeit. Dotcom bestritt damals nicht, dass einzelne Nutzer von Megaupload den Dienst missbraucht haben, um illegal kopierte Filme zu verbreiten. Sobald er aber davon erfahren habe, seien diese Daten entfernt worden. Genauso, wie es das Gesetz vorschreibe.

Filmindustrie könnte von Dotcom profitieren

Für Kim Dotcom ist nicht er das Problem, sondern das seiner Meinung nach „antiquierte Vertriebssystem der amerikanischen Filmindustrie“. In Zeiten der „unmittelbaren Kommunikation sind Leute frustriert, wenn ein Film in einem Land ins Kino geht, und sie ihn zuhause erst in sechs Monaten sehen können“, meinte er. Viel mehr Sinn mache es, die Werke global zeitgleich zu veröffentlichen. Denn mit dieser Verzögerung fördere Hollywood indirekt die Piraterie seiner eigenen Filme.

Dotcom habe Ideen, wie die amerikanische Filmindustrie mit dem Internet arbeiten könne, statt gegen den Lauf der Zeit zu gehen, so der Deutsche damals. Doch in den großen Studios dürfte man seinen Rat kaum hören wollen. Man will den Mann nur sehen – und zwar hinter Gittern einer amerikanischen Haftanstalt.

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