piwik no script img

Prozess in UgandaSpäte Strafe für Kriegsverbrechen

Erstmals hat ein Gericht in Uganda einen Kommandanten der „Lord’s Resistance Army“ schuldig gesprochen. Thomas Kwoyelo saß seit 2009 in Haft.

Thomas Kwoyelo vor Gericht im ugandischen Gulu, hier bei seinem allerersten Prozess 2011 Foto: reuters

Kampala taz | In feinem Anzug und rosa Krawatte sitzt Thomas Kwoyelo im Gerichtsaal, umringt von Gefängniswärtern. Als die Richter den Saal in der nordugandischen Stadt Gulu betreten, guckt er angestrengt, besorgt und erschöpft. Über 14 Jahre hat das Verfahren gegen ihn gedauert.

„Das Gericht hat entschieden, den Angeklagten schuldig zu sprechen wegen Mordes, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, erklärt der Vorsitzende Richter Michael Elubu. Während diese Worte durch den vollen Gerichtssaal hallen, stiert der Angeklagte ins Leere.

Ich musste Befehle befolgen. Ich musste gehorchen

Der Angeklagte Thomas Kwoyelo vor Gericht

Kwoyelo ist der erste und einzige Kommandant der LRA (Lord’s Resistance Army), dem je in Uganda der Prozess gemacht wurde. Die LRA in Uganda gilt bis heute als eine der brutalsten Milizen der Welt. Sie begann ihren Krieg in den 1980er Jahren und kämpfte jahrzehntelang gegen Ugandas Präsident Yoweri Museveni. Dabei entführte sie systematisch Kinder. Mehr als 60.000 Minderjährige bildete sie zu Kindersoldaten aus. Seit 2005 wird LRA-Chef Joseph Kony vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit Haftbefehl gesucht, die USA haben 5 Millionen Dollar Belohnung für seine Ergreifung ausgeschrieben.

Kwoyelo wurde Anfang 2009 gefasst, als Ugandas Armee LRA-Einheiten in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo jagten. Kwoyelo wurde im Gefecht verletzt, zur Behandlung nach Uganda ausgeflogen und landete im Gefängnis.

2010 wurde der Ex-LRA-Oberst Kwoyelo angeklagt, der erste Fall vor einem neu eingerichteten Kriegsverbrechertribunal. Doch es dauerte 14 Jahre, bis das Hauptverfahren in der nordugandischen Stadt Gulu, wo Opfer der LRA den Anhörungen beiwohnen konnten, endlich in Gang kam.

Zum Vergleich: 2014 wurde LRA-Kommandant Dominic Ongwen festgenommen und nach Den Haag überstellt. Der Strafgerichtshof verurteilte ihn 2021 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 25 Jahren Haft. Im Oktober beginnt in Den Haag nun auch das Verfahren gegen LRA-Chef Kony – in Abwesenheit, denn er versteckt sich in Sudan.

Viele Jahre Untersuchungshaft

Der Kwoyelo-Prozess war von Anfang an umstritten. Denn Kwoyelo beantragte nach seiner Festnahme Amnestie. Dass die Staatsanwaltschaft entschied, dem LRA-Kommandeur den Prozess zu machen, statt ihn laufen zu lassen, war eine politisch motivierte Entscheidung: Nach der Einrichtung des Sondertribunals brauchte dieses einen Fall.

Kritisiert wurde auch, dass der 49-Jährige nun 14 Jahre ohne Urteil in U-Haft saß. Ugandas Justizsystem ist unterfinanziert und träge. Die Coronapandemie verzögerte das Verfahren zusätzlich. Erst dieses Jahr kam der Prozess so richtig in Gang.

In seiner Einlassung im Mai stritt Kwoyelo alles ab. „Ich war für die Krankenstation der LRA verantwortlich und behandelte die Verwundeten, ich war selbst nie an der Front oder im Kampfgebiet“, erklärte er. Er sei selbst im Jahr 1987 im Alter von 13 Jahren von der LRA entführt und zum Kindersoldaten ausgebildet worden.

„Die LRA hat eine strikte Kommando­kette“, betonte er: „Beim Militär, wo ich unfreiwillig und mit Gewalt eingezogen wurde, konnte ich keine Entscheidungen treffen. Ich musste Befehle befolgen. Abweichungen von diesen Befehlen bedeuteten den Tod, und ich musste gehorchen.“ Kwoyelo weiter: „Ich habe zu keiner Zeit jemanden getötet.“

Das Gericht hat ihn nun dennoch in 44 von 78 Anklagepunkten für schuldig befunden. Das Strafmaß soll in einer Woche verkündet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Uganda schafft es seit 38 Jahren nicht, die nepotistische Scheindemokratie des Yoweri Museveni zu überwinden. Diese wird von der int'l Gemeinschaft der menschenrechts-, demokratie- und freiheitsliebenden Staaten unterstützt, obwohl sie allerlei Verbrechen gegen Menschenrechte, Pressefreiheit und der Kriegstreiberei im benachbarten Kongo glaubhaft beschuldigt wird. Anfang 1986 galt Museveni im Look des Buschkämpfers noch als Hoffnungsträger, der Frieden und Freiheit bringt. Anfang 1987 habe ich ihn das erste mal im Anzug gesehen und wusste, dass wird nichts mit der Hoffnung, dass die Menschen in Uganda in Freiheit über ihre Zukunft mitbestimmen können. Habe leider Recht behalten.

    Übrigens ist die LRA aus einer bunten Mischung von Befreiungs- und Widerstandsbewegungen entstanden, die ab 1986 gegen die Herrschaft der NRA kämpften. Sie rekrutierten sich aus den Volksgruppen im nördlichen und östlichen Uganda, Regionen, die schon während der Kolonialzeit als wirtschaftlich unergiebig kaum entwickelt wurden. An dem Süd-Nord-Gefälle hat die Regierungszeit Musevenis kaum etwas verändert und die angespannte Sicherheitslage war immer eine gute Entschuldigung fürs Nichtstun.

  • Uganda schafft das, wann schaffen Palästina (Gaza) und Israel es auch: die Kriegstreiber vor Gericht zubringen? Und bitte rascher als 14 Jahre vorgehen.