Rekord-Tennismatch bei den US Open: An der Belastungsgrenze

5 Stunden und 35 Minuten dauerte das Match zwischen Dan Evans und Karen Khachanov bei den US Open. Warum der Tennissport immer härter wird.

Am Ende des Spiels am Ende ihrer Kräfte: Evans (r.) und Khachanov Foto: Shutterstock/imago

Es war eigentlich noch früh am Abend dieses US-Open-Dienstags, aber Dan Evans hatte nur einen dringenden Wunsch: „Ich will jetzt so schnell wie möglich ins Bett.“ Was mehr als verständlich war, denn der 34-jährige Veteran der Tennistour hatte soeben das längste Match der US-Open-Geschichte gewonnen und dabei noch einen Houdini-Entfesselungsakt der ganz besonderen Sorte hingelegt.

0:4 und 15:40 bei eigenem Aufschlag hatte Evans im fünften Satz schon vermeintlich aussichtslos hinten gelegen, ehe er nach einem wundersamen Comebackanlauf nach fünf Stunden und 35 Minuten den Matchball zum 6:7 (8:10), 7:6 (7:2), 7:6 (7:4), 4:6 und 6:4-Triumph gegen den Russen Karen Khachanov verwandelte. „Was zum Teufel haben wir da gerade gesehen?“, twitterte da völlig losgelöst der britische Tennisverband gen New York, zum stolzen Straßenkämpfer aus Birmingham.

Der hatte nach seinem Erstrunden-Supermarathon zwischen 13.05 Uhr und 18.40 Uhr alle Mühe, auf den Beinen zu bleiben und seine Sinne beisammen zu halten: „Ich habe Kopfschmerzen, mir tun alle Knochen weh, ich bin einfach komplett platt. Irgendwie dreht sich alles in mir.“ Evans und Khachanov standen sich auf dem überfüllten Außencourt 6 an diesem 27. August noch neun Minuten länger Auge in Auge gegenüber als Stefan Edberg und Michael Chang 1992 im Halbfinale. Jeder einzelne Satz des neuen Rekordmatches überschritt die Ein-Stunden-Marke, selbst die beiden letzten Durchgänge mit „nur“ zehn Spielen.

Die Ausdauerschlacht am zweiten Tag der Offenen Amerikanischen Meisterschaften 2024 war allerdings immer noch die „kürzeste“ Bestleistung bei den vier Major-Turnieren der Branche. Seit der Begrenzung des fünften Satzes mit Match-Tiebreaks von Melbourne bis New York thront für alle Ewigkeit die Wimbledon-Partie von 2010 zwischen John Isner und Nicolas Mahut an der Spitze – Spieldauer satte elf Stunden und fünf Minuten, über drei Wettkampftage. Die längste French-Open-Partie lieferten sich 2004 die beiden Lokalmatadore Fabrice Santoro und Arnaud Clement über sechs Stunden und 33 Minuten. Bei den Australian Open führt das 2012er-Finale zwischen Novak Đoković und Rafael Nadal mit fünf Stunden und 53 Minuten die Rekordliste an.

Grand-Slam-Matches generell immer länger

Evans im Übrigen, Sieger des längsten US-Open-Matches der Geschichte, ist so etwas wie die Wundertüte des Sommers 2024. Bei den Olympischen Spielen in Paris wehrte der bullige, gedrungene Fighter an der Seite von Andy Murray in der ersten Doppelrunde fünf Matchbälle im Match-Tiebreak hintereinander ab – von einem 4:9-Rückstand gegen die Japaner Taro Daniel/Kei Nishikori in Runde eins zum 11:9. In Runde zwei wehrten Evans und Murray dann noch einmal zwei Siegpunkte der Belgier Sander Gille/Joran Vliegen im Match-Tiebreak ab, nach 7:9-Defizit wieder zum 11:9-Sieg.

Die Rekordpartie von New York wirft allerdings auch ein Schlaglicht auf die immer längeren Matches im Tennis-Wanderzirkus und die größeren Strapazen in einem dicht gedrängten Terminkalender. Im Vergleich zur Jahrtausendwende dauerten Grand-Slam-Matches zuletzt knapp 25 Prozent länger – jedes einzelne Match wies im Schnitt eine halbe Stunde mehr Spielzeit auf. Selbst viele Drei-Satz-Matches in frühen Runden überschreiten inzwischen locker die Drei-Stunden-Grenze.

„Der Konkurrenzkampf ist immer härter geworden, jeder Spieler ist per se leistungsfähiger und stärker, weil er über ein besseres Team drumherum verfügt“, sagt Grand Slam-Rekordchampion Novak Ðoković, „aber die Belastungen sind auch auf ein unglaubliches Maß gestiegen.“

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