Michael Ringel
: Nashorn des Kabaretts

Kürzlich verstarb Richard Rogler, eine der Kabarettgrößen der Bonner Republik und … – aber verdammt, das soll kein Nachruf werden. Ich bin es inzwischen leid, ständig Nekrologe auf Menschen zu verfassen, mit denen man es im Leben zu tun hatte. Allein deshalb gehört dieser Scheißtod endlich abgeschafft. Aber bevor ich mich aufrege wie der Rogler, erzähle ich lieber zum Gedenken an ihn eine persönliche Anekdote.

Im Sommer 2008 schrieb ich eine Glosse über die damalige Energiepreisdiskussion, warum eigentlich der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt sei. Dabei könnte in der Wirtschaft noch viel mehr gekoppelt werden, schlug ich vor: der Milchpreis an den Gaspreis, der Bierpreis an den Milchpreis, der Wasserpreis an den Bierpreis und schließlich der Ölpreis an den Wasserpreis. Ein ökonomisches Perpetuum mobile als Kern des Kapitalismus. Dafür würde dann mindestens der Nobelpreis für Wirtschaft winken. Aber nur gekoppelt mit dem für Literatur.

Wenig später bekam ich einen erstaunlich unaufgeregten Anruf von Richard Rogler. Ihm habe das Stück gut gefallen, er würde es gern in sein Programm einbauen, welches Honorar ich verlange. Nichts, erklärte ich, er sei schließlich ein Klassiker des Kabaretts, mir sei es eine Ehre, ihm den Text zu überlassen. Nein, nein, widersprach Rogler, eine angemessene Entlohnung sei notwendig, er wolle Arbeit nicht an Altruismus koppeln, dann würde er sich etwas einfallen lassen.

Wenig später traf ein Paket ein. Inhalt: eine Flasche Sechsämtertropfen. Ich verstand sofort die literarische Anspielung des im Wunsiedler Sechsämterland aufgewachsenen Rogler und antwortete ihm mit dem passenden Romantitel: „Geht in Ordnung, sowieso, genau!“

Richard Rogler war, um ausnahmsweise die Humorkritik mit der Großwildjägersprache zu kombinieren, einer der „Big Five“ des späten bundesrepublikanischen Fernsehkabaretts: Dieter Hildebrandt der Löwe, Gerhard Polt der Elefant, ­Georg Schramm der Büffel, Bruno ­Jonas der Leopard und Richard Rogler das Nashorn. Er war der Polterer, der sich so wunderbar aufregen konnte und mit seiner Schnodderschnauze alles aufs Horn nahm, was bei drei nicht auf den Bäumen war – wenn er seine Bühnenfigur „Camphausen“ selbst bei alltäglichsten Verrichtungen scheitern ließ, damit der Grantler zu röhrenden Monologen über das Große und Ganze ansetzen konnte.

Und um hier gar nicht erst wieder in den Nachrufjargon zu verfallen oder kulturpessimistisch den Zustand des aktuellen Kabaretts zu bejammern, das entweder in einer Verwahranstalt vor sich hin­vegetiert oder von den nichts als schlechte Laune verbreitenden „Ugly Five“ beherrscht wird – auf dieser kurzen Kabarett-Safari soll Richard „Rhino“ Rogler für seinen gedankenreichen Breitmaulhumor gewürdigt werden.

Möge er die himmlische Savanne oder den höllischen Dschungel von Kleinkunstbüh-nen, über die er gerade fegt, lautstark erbeben lassen. Schnaub!