Sonderausschuss in Potsdam: (K)ein Hinweis unter Freunden?

Bei der parlamentarischen Untersuchung der Trunkenheitsfahrt von Jan Redmann attackiert die CDU Dietmar Woidke. Linke spricht von einer Nebelkerze.

Kurzer Dienstweg: Innenminister Stübgen (CDU, l.) und Polizeipräsident Stepien Foto: picture alliance/dpa | Soeren Stache

POTSDAM taz | Hat die Brandenburger Polizei dem CDU-Spitzenkandidaten Jan Redmann nach dessen Trunkenheitsfahrt die notwendige Zeit freigeschaufelt, um vor die Presse zu treten, bevor der Vorgang öffentlich wird? Das war die zentrale Frage, über die die Abgeordneten des Innen- und Rechtsausschusses des Landtags am Donnerstag bei einer gemeinsamen Sondersitzung berieten. Am Ende war klar: Ausgeschlossen ist es nicht.

Redmann war in der Nacht zum 12. Juli um 0.43 Uhr auf einem E-Scooter von der Polizei vor seinem Zweitwohnsitz in Potsdam-Babelsberg angehalten und kontrolliert worden. Ein Atemalkoholtest ergab 1,3 Promille – ein Straftatbestand. Und ein Fall, dessen Brisanz auch im Potsdamer Polizeipräsidium sofort erkannt wurde.

Bereits um 8.10 Uhr erhielt Polizeipräsident Oliver Stepien die Meldung, dass es sich bei dem mutmaßlichen Straftäter um den CDU-Landesvorsitzenden und -Spitzenkandidaten Redmann handele. Neun Minuten später griff Stepien zum Telefonhörer und rief Brandenburgs Innenstaatssekretär Markus Grünewald (CDU) an. „Damit waren die Informationspflichten erfüllt.“ So teilte es Stepien in der Befragung durch die Abgeordneten mit.

Eine elektronische WE-Meldung, also die Mitteilung eines „wichtigen Ereignisses“ von der Polizei an das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK), erfolgte erst am Tag darauf. Und offenbar ohne Abstimmung mit dem Polizeipräsidenten. „Die Meldung wäre entbehrlich gewesen, da das MIK schon informiert war“, betonte Polizeichef Stepien bei der Befragung durch die Abgeordneten.

Es war eine Meldung mit Folgen. Weil die E-Mail mit der WE-Meldung kurz darauf in den Medien landete, erfuhr die Öffentlichkeit plötzlich, dass Redmann nicht, wie von ihm behauptet, bei einer Routinekontrolle erwischt wurde, sondern wegen seiner „auffälligen Fahrweise“ kontrolliert wurde. Und dass nicht nur ein Atemalkoholtest durchgeführt wurde, sondern Redmann danach auch zur Wache gebracht wurde, um unter ärztlicher Anwesenheit einen Blutalkoholtest zu absolvieren. Die Transparenzoffensive endete plötzlich mit dem Verdacht, gelogen zu haben.

CDU attackiert die SPD

Die CDU-Fraktion, die in Brandenburg mit SPD und Grünen in einer Kenia-Koalition regiert, entschloss sich am Donnerstag, die Flucht in die Offensive anzutreten, statt die Fragen zu beantworten. Von einer „Doppelbödigkeit in der Argumentation“ sprach der CDU-Abgeordnete Steeven Bretz.

Er betonte, dass WE-Meldungen in der Regel streng vertraulich und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. „Von einem Vorteil für Redmann sprechen kann also nur, wer davon ausgeht, dass solche Meldungen automatisch an die Presse durchgestochen werden“, so Bretz. „Warum wird nicht darüber gesprochen, dass ein solches Durchstechen überhaupt möglich ist?“ Tatsächlich hat die Polizei Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Weitergabe von Dienstgeheimnissen.

Bretz wies darauf hin, dass nicht nur das MIK WE-Meldungen bekomme, sondern auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Dessen Sprecher hatte tags zuvor erklärt, dass in der Potsdamer Staatskanzlei vier Personen den Zugriff auf die persönliche E-Mail-Adresse des Regierungschefs hätten. „Ich stelle die Frage, ob es nicht nur darum ging, dem aussichtsreichen Kandidaten Redmann einen Nachteil zu verschaffen“, raunte Bretz, „sondern ob sich jemand dadurch einen Vorteil verschaffen wollte.“

Mit fünf ist die Zahl der möglichen SPD-Funktionsträger, die die Meldung weitergegeben haben könnten, aber gering im Vergleich zu denen, die im Innenministerium die vertraulichen Meldungen bekommen. Von einer „niedrigen zweistelligen Zahl“ sprach Innenminister Michael Stübgen (CDU). Stübgen betonte, dass es solche Durchstechereien zwar gelegentlich gegeben habe, sie in den vergangenen Jahren allerdings eher selten gewesen seien.

Warum aber wollte dann der Polizeipräsident ganz auf eine Meldung per E-Mail verzichten? Laut dem geltenden Erlass von 2019 muss eine WE-Meldung innerhalb von einer Stunde nach dem Ereignis erfolgen. Und zwar elektronisch. Bei besonders wichtigen Ereignissen kann die Nachricht bereits vorab telefonisch weitergegeben werden, wie im Fall von Redmann geschehen.

Polizeipräsident Sepien verwies im Fall der Trunkenheitsfahrt von Redmann auf dessen Persönlichkeitsrechte und die politische Brisanz. „Meine Prognose war, dass es hier zu einem Durchstechen kommen könnte“, antwortete er. „Deshalb wurde die Meldung fernmündlich übermittelt.“ Die Ereignisse gäben ihm im Nachhinein recht, so Stepien.

Vielleicht waren die Persönlichkeitsrechte aber auch nur ein Vorwand, so die Linken-Abgeordnete Marlen Block. Schließlich hätte die Polizei kein Problem damit gehabt, die Meldung über einen Unfall ihrer Fraktionskollegin Bettina Fortunato elektronisch zu übermitteln. Die Abgeordnete aus Seelow war Anfang des Monats bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden.

Die Linke spricht deshalb von einer Nebelkerze, die die CDU zünden wolle. „Es geht hier nicht ums Durchstechen, sondern darum, warum im Fall Redmann anders entschieden wurde“, sagte Block. „Jan Redmann hat sich erklärt, und die Presse hat das Recht, das zu hinterfragen, was er sagt.“ Dass das jetzt von der Staatskanzlei gesteuert worden sein soll, sei absurd, ärgerte sich Block, deren Partei die Sondersitzung beantragt hatte.

Dass Jan Redmann tatsächlich eine Sonderbehandlung erfahren hatte, geht aus einer Zahl hervor, die Innenminister Stübgen am Ende doch noch rausrückte. Vom Grundsatz einer WE-Meldung per E-Mail wird nämlich so gut wie nie abgewichen. Stübgen spricht von „einer niedrigen einstelligen Zahl von mündlichen WE-Meldungen im Jahr“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Veranstaltung zur Frage, was in diesem Wahljahr auf dem Spiel steht. Vor Ort in Erfurt, Chemnitz und Cottbus. Alle Infos und Anmeldung: taz.de/panterforen

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben