Demonstration gegen Gewalt an Frauen: Glaubt den Opfern, nicht Boateng

Kasia Lenhardts Familie will die Verbreitung eines Bild-Interviews mit Jérôme Boateng verhindern. Vor der Gerichtsverhandlung gibt es eine Soli-Demo.

Fußballer Jérôme Boateng am 19. Juli im Landgericht München Foto: Peter Kneffel

BERLIN taz | Wie macht man auf etwas aufmerksam, das jeden Tag passiert, aber meist im Verborgenen bleibt?

Vor dem Kammergericht in Schöneberg steht Zoe Anthea Kraft. Sie ist gekommen, um gegen Gewalt gegen Frauen zu demonstrieren, eine Gewalt, die Alltag ist. Jede dritte Frau in Deutschland wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Und fast jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet.

Im Gerichtssaal, vor dem Kraft steht, wird gleich eine Verhandlung stattfinden. Vor Gericht wird jemand stehen, der vor Kurzem in München wegen Gewalt an seiner Ex-Partnerin und der Mutter seiner Kinder verurteilt wurde: der Profifußballspieler Jerôme Boateng.

Heute geht es um ein anderes mutmaßliches Opfer. Die Mutter von Boatengs Ex-Partnerin Kasia Lenhardt kämpft darum, die weitere Verbreitung eines Bild-Interviews zu verhindern, in dem Boateng Lenhardt diskreditierte, ihr vorwarf, ihn zerstören zu wollen. Lenhardt wurde in sozialen Medien mit Hassnachrichten und Drohungen geflutet und beging wenige Wochen später Suizid. Die Bild kassierte für das Interview mehrere Rügen des Presserats. Boateng hat sich für die Äußerungen bislang nicht öffentlich entschuldigt.

Zoe Anthea Kraft erzählt, dass sie in einer vergangenen Beziehung selbst Betroffene von häuslicher Gewalt war. Sie habe erlebt, dass ihr sogar im Freundeskreis nicht geglaubt wurde, als sie von ihren Erlebnissen berichtete. „Das kann gar nicht sein, der ist doch immer so nett“, hätten Bekannte gesagt. Solche Erlebnisse würden die Hemmschwelle steigern, sich an die Polizei zu wenden. „Glaubt den Opfern!“, fordert sie.

Last wird auf dem Opfer abgelegt

Neben Kraft steht auch die Cousine von Boatengs anderem Opfer. Sie hat die Gerichtsverhandlung in München verfolgt. „Mir hat währenddessen manchmal der Mund offen gestanden“, berichtet sie. Es habe sie schockiert, wie viel Last auf dem Opfer der Gewalt abgelegt wurde. Die Richterin habe ihre Cousine gefragt, warum sie ihren gewalttätigen Partner nicht früher verlassen habe, und so die Verantwortung für Boatengs Taten auch seinem Opfer zugeschoben.

„Das hat was mit mir gemacht“, sagt sie, deswegen ist sie heute hier, obwohl sie selbst solche Art von Gewalt nicht erlebt hat. Aber sie weiß, dass Betroffene manchmal so verletzt und traumatisiert sind, dass sie jemanden anderen brauchen, der für sie einsteht. Genau das will sie vor dem Kammergericht in Berlin tun. Sie ist außerdem hier, um sich mit der Familie von Lenhardt solidarisch zu zeigen.

Die Gruppe vor dem Gerichtsgebäude ist kleiner als die Anmelderinnen der Demonstration gehofft haben, etwa zehn Menschen sind gekommen. Im Kreis stehen sie nahe beisammen, überlegen, wie sie jetzt weitermachen. Die Entscheidung fällt schnell: Sie werden sich in den Gerichtssaal setzen, Platz einnehmen und Präsenz zeigen.

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