Präsidentschaftswahlkampf in den USA: Druck auf Biden wächst

Gerüchte um den Rückzug von US-Präsident Joe Biden werden lauter. Trump appelliert auf dem Parteitag der Republikaner an die Einheit des Landes.

Joe Biden winkt

Joe Biden, hier in einer Aufnahme vom 15. Juli Foto: Tom Brenner/reuters

WASHINGTON/MILWAUKEE ap/dpa | Öffentlich hat der Präsident bislang alle Rückzugsforderungen aus der eigenen Partei zurückgewiesen. Auch sein Wahlkampfteam betonte zuletzt beharrlich, Biden habe nicht vor, hinzuschmeißen. Zuletzt stieg der parteiinterne Druck auf ihn jedoch noch einmal enorm.

Mittlerweile schließt der 81-jährige das Szenario wohl nicht mehr aus. Personen aus Bidens engem Umfeld sagten der New York Times, es wäre keine Überraschung, wenn Biden bald eine Rückzugsankündigung machen würde. Die Entscheidung Nancy Pelosis, sich gegen einen Verbleib Bidens auszusprechen sowie neue, schlechte Umfragewerte und der Druck wichtiger Parteispender hätten bei Biden ein Umdenken ausgelöst. Es gelte als wahrscheinlich, dass er im Falle eines Verzichts seine Stellvertreterin Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin für die Wahl im November vorschlagen würde.

Er habe begonnen, „sich mit dem Gedanken abzufinden, dass er im November möglicherweise nicht gewinnen kann und aus dem Rennen aussteigen muss, um den wachsenden Forderungen vieler besorgter Mitglieder seiner Partei nachzugeben“, schrieb die New York Times. Biden habe jedoch noch keine Entscheidung getroffen.

Bidens Büro winkt ab

Das Weiße Haus dagegen dementierte die Meldungen, dass Biden einen Rückzug in Erwägung ziehe und bezeichnete die Berichte als koordinierte Kampagne von Leaks führender Demokraten, die den Druck auf den Präsidenten erhöhen wollten. Obwohl Biden die Bedenken ernst nehme, hätte er seine Position nicht geändert und wolle im Rennen bleiben.

Die Washington Post berichtete zuvor unter Berufung auf drei Kongressabgeordnete, die Biden-Vertraute und frühere demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi habe mehreren Parteikollegen im Parlament gesagt, sie glaube, dass Biden recht bald davon überzeugt werden könne, sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückzuziehen. Auch sie habe ernsthafte Zweifel, dass er die Wahl im November gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump gewinnen könne.

Parteiinterne Rebellion

Biden ist wegen seines hohen Alters und Zweifeln an seiner geistigen Verfassung mit einer parteiinternen Rebellion konfrontiert. Seit einem desaströsen Auftritt bei einem Fernsehduell gegen Trump Ende Juni forderten ihn diverse demokratische Abgeordnete offen auf, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen. Viele weitere äußerten sich öffentlich sehr besorgt über seine Wahlchancen.

Zuletzt wagten sich auch prominente Demokraten mit entsprechenden Wortmeldungen hervor. Und Medienberichten zufolge drängt hinter den Kulissen inzwischen auch die allererste Reihe der Partei Biden zu einem Rückzug.

Wegen einer Infektion mit dem Coronavirus absolviert Biden derzeit keine öffentlichen Termine, sondern isoliert sich in seinem Privathaus in Rehoboth Beach im Bundesstaat Delaware.

Trump schlägt versöhnliche Töne an

Der frühere US-Präsident Donald Trump hat beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin seine Nominierung als Spitzenkandidat für die Präsidentschaftswahl im November angenommen. In seiner Rede am Donnerstagabend (Ortszeit) ließ er seine spalterischsten Pläne weitgehend außen vor und appellierte stattdessen an die Einheit seiner Partei und des Landes.

Nur fünf Tage nach dem gescheiterten Anschlag auf sein Leben zeigte sich der 78-Jährige erneut mit bandagiertem Ohr – und beschrieb, wie er den Moment erlebte, in dem ihn am Samstag in Pennsylvania bei einem Wahlkampfauftritt ein Schuss des Attentäters am Ohr traf. „Überall floss Blut, doch in gewisser Weise fühlte ich mich sehr sicher, weil ich Gott auf meiner Seite hatte“, sagte er. „Ich sollte heute Abend nicht hier sein.“

Der für seine aggressive Rhetorik bekannte Republikaner schlug im Verlauf der Rede ungewohnt versöhnliche Töne an. „Die Zwietracht und die Spaltung in unserer Gesellschaft müssen geheilt werden. Wir heilen es einfach schnell. Als Amerikaner sind wir durch ein einziges Schicksal und eine gemeinsame Bestimmung miteinander verbunden. Wir erheben uns gemeinsam, oder wir fallen auseinander“, sagte er. „Ich trete an, um ein Präsident für ganz Amerika zu sein, nicht die Hälfte von Amerika, denn es gibt keinen Sieg, wenn man für die Hälfte Amerikas gewinnt.“

Seine demokratischen Rivalen, Präsident Joe Biden und dessen Vizepräsidentin Kamala Harris, erwähnte er nicht direkt, sondern verwies nur allgemein auf die Regierung. Er umging auch jeden direkten Bezug auf kontroversere Pläne oder seine Lieblingsthemen, darunter die angeblich manipulierte Wahl 2020, die Erstürmung des US-Kapitols durch seine Anhänger am 6. Januar 2021 oder seine Pläne, Millionen irreguläre Migranten aus den USA zu deportieren.

„Maskulines“ Programm

Zum Finale ihres Nominierungsparteitags für die US-Präsidentschaftswahl setzten die Republikaner ansonsten auf ein betont „maskulines“ Programm. Dana White, Präsident der populären Mixed-Martial-Arts-Organisation UFC, bezeichnete Trump als „echten amerikanischen Bad Ass“. Und der Rockmusiker Kid Rock gab breitbeinig einen Song mit dem Refrain „Fight, fight!“ (Kämpft, kämpft!) zum Besten – diese Worte hatte Trump der Menge nach dem gescheiterten Attentat am Wochenende zugerufen.

Die Wrestling-Ikone Hulk Hogan beschrieb den früheren Präsidenten als „amerikanischen Helden“. Hogan erntete tosenden Applaus, als er auf der Hauptbühne sein Shirt zerriss – und darunter ein Wahlkampfshirt des bei dem Parteitag offiziell nominierten Kandidatenduos Trump und J.D. Vance mit dem Slogan „Make America Great Again“ zum Vorschein kam. „Als Entertainer versuche ich, mich aus der Politik herauszuhalten“, sagte er. Aber er könne nicht länger schweigen.

Zwei prominente Frauen aus Trumps Umfeld – seine Frau Melania und seine Tochter Ivanka – schlossen sich dem 78-Jährigen vor dessen Rede in der Kongresshalle zwar erstmals bei dem Parteitag an, verzichteten aber darauf, selbst Reden zu halten.

Trumps auf die Zukunft ausgerichtete Rede markierte den Höhepunkt und Abschluss des Nominierungsparteitags der Republikaner, bei dem auch der Senator J.D. Vance als Trumps Vizepräsidentschaftskandidat nominiert wurde. Dieser hatte sich in seiner Rede am Mittwochabend (Ortszeit) als Mann des Volkes präsentiert, auf sein entbehrungsreiches Aufwachsen in der alten Industrieregion der USA, dem „Rust Belt“, verwiesen und geltend gemacht, dass seine Partei die Herausforderungen am besten verstehe, mit denen gewöhnliche Amerikaner konfrontiert seien.

Kämpfer für die Arbeiterklasse

In seiner ersten größeren Rede nach seinem Aufstieg zum Vizekandidaten an der Seite von Trump beschrieb er sich als Kämpfer für die „vergessene“ Arbeiterklasse des Landes – und appellierte dabei direkt an seine Heimatregion, deren verärgerten und frustrierten Wählern beim überraschenden Wahlsieg Trumps im Jahr 2016 eine wichtige Rolle zukam.

„In Kleinstädten wie meiner in Ohio, oder nebenan in Pennsylvania, oder in Michigan, in allen Staaten unseres Landes, wurden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert und Kinder in den Krieg geschickt“, sagte er. „An die Menschen in Middletown, Ohio, und all die vergessenen Gemeinden in Michigan, Wisconsin, Pennsylvania und Ohio und in jedem Winkel unserer Nation, ich verspreche euch dies“, erklärte Vance: „Ich werde ein Vizepräsident sein, der niemals vergisst, woher er kommt.“

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