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Nawalny-Witwe reagiert auf HaftbefehlFestnahme in Abwesenheit

Ein Gericht in Moskau verfügte die Festnahme von Julia Nawalnaja, Witwe des im Straflager verstorbenen Kreml-Kritikers Nawalny. Nun äußerte sie sich.

Haftbefehl: Julia Nawalnaja in Berlin nach einem Gedenkgottesdienst für ihren Mann Alexei Nawalny im Juni 2024 Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Das Basmannij-Gericht in der russischen Hauptstadt Moskau hat am Dienstag die Festnahme von Julia Nawalnaja, Witwe des im vergangenen Februar in einem Straflager verstorbenen Kreml-Kritikers Alexei Nawalny, verfügt. Der Vorwurf gegen die 47-Jährige, die sich derzeit im Ausland aufhält, lautet auf Beteiligung an einer extremistischen Gruppierung. Laut dem Pressedienst der Moskauer Gerichte verstecke sich Nawalnaja vor den Ermittlungsbehörden und sei daher auf die Fahndungsliste gesetzt worden.

Das Gericht habe dem Antrag der Untersuchungsbehörde stattgegeben und sich für eine vorbeugende Maßnahme in Form einer Untersuchungshaft für einen Zeitraum von zwei Monaten entschieden. Die Frist werde ab dem Zeitpunkt der Auslieferung an das Territorium der Russischen Föderation oder ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung auf dem Territorium der Russischen Föderation berechnet, heißt es in der Mitteilung weiter. Auf den Straftatbestand „Teilnahme an einer extremistischen Gruppierung“ stehen bis zu sechs Jahre Haft.

Angaben einer Quelle der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge soll Nawalnaja Videos erstellt und im Internet verbreitet haben, die darauf abzielten, die Behörden zu diskreditieren und Spenden für die Antikorruptionsstiftung (FBK) zu sammeln. Die FBK war 2011 von Alexei Nawalny gegründet sowie 2021 als extremistisch gelabelt und in Russland verboten worden.

Infolge dieser Entscheidung wurde einigen von Nawalnys Mitstreiter*innen, vor allem ehemalige Ko­or­di­na­to­r*in­nen seiner Arbeitsstäbe der „Teilnahme an einer extremistischen Gruppierung“ beschuldigt. Auch Nawalnys ehemalige Stabschefin in Ufa, Lilja Tschanyschewa, gehört zu den Betroffenen. Sie erhielt eine neuneinhalbjährige Haftstrafe.

Zelle ohne Fernseher

Nawalnajas Kommentar zu der Gerichtsentscheidung ließ nicht lange auf sich warten: „Oh, was wird nicht das übliche Verfahren sein? Ein ausländischer Agent, dann die Eröffnung eines Strafverfahrens, dann eine Verhaftung?“

„Wenn Sie darüber schreiben, vergessen Sie bitte nicht, den wesentlichen Punkt zu erwähnen: Wladimir Putin ist ein Mörder und ein Kriegsverbrecher. Sein Platz ist im Gefängnis und nicht irgendwo in Den Haag, in einer gemütlichen Zelle mit Fernseher, sondern in Russland – in demselben Straflager und derselben zwei mal drei Meter großen Zelle, in der er Alexei getötet hat“, schrieb sie.

Bereits kurz nach dem Tod Nawalnys, die dessen Weg­ge­fähr­t*in­nen als Mord bezeichnen, hatte Nawalnaja angekündigt, die Arbeit ihres Mannes fortsetzen zu wollen. In einem Interview mit der Times im April, die sie auf ihrer Liste der 100 einflussreichsten Personen weltweit führt, begründete sie ihre Entscheidung damit, den Menschen Hoffnung geben zu wollen. „Vor allem möchte ich, dass der Kreml und seine Beamten verstehen: Wenn sie Alexei getötet haben, werde ich seinen Platz einnehmen“, sagte sie. „Wenn sie mir etwas antun, wird eine andere Person kommen. In Russland gibt es viele Menschen, die gegen diese Regierung sind.“

In der vergangenen Woche über nahm Nawalnaja den Vorsitz der Menschenrechtsorganisation Human Rights Foundation (HRF). Sie löste den Oppositionellen Garri Kasparaow ab. Der Gründer des Forums freies Russland hatte den HRF seit 2012 geleitet. Auch dieser neue Posten soll dabei helfen, das Werk Nawalnys weiterzuführen, so Nawalnaja.

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6 Kommentare

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  • Wenn sie Alexei getötet haben, werde ich seinen Platz einnehmen“, sagte sie. „Wenn sie mir etwas antun, wird eine andere Person kommen. In Russland gibt es viele Menschen, die gegen diese Regierung sind.“

    Nicht nur in Russland!

    Es wird nur noch wenige Jahre dauern bis Mr. Putin, ein gesuchter Mörder und Kriegsverbrecher, er hat bereits heute einen internationalen Hausarrest mit wenigen geographischen Optionen, uns verlassen wird und Russland für einen Neustart breit sein wird.



    Der Widerstand gegen Putin und seine Gefolgsleute ist endlos. Das weis er, daher sucht er zu seiner eigenen Sicherheit Unterstützung bei seines Gleichen Disspoten, weil er es schon heute nicht mehr alleine schafft, seinen Status aufrecht zu erhalten.

    Wir bleiben dran. Wir erarbeiten unser erkennbares Ziel.

  • 》Wenn sie Alexei getötet haben, werde ich seinen Platz einnehmen“, sagte sie. „Wenn sie mir etwas antun, wird eine andere Person kommen.《

    Hoffentlich nicht, um an Nawalnys Hetze gegen Migranten anzuknüpfen!

    Immer noch online m.youtube.com/watc...nnel=AlexeyNavalny ist ein Video, in dem er als Zahnarzt verkleidet 'Migranten als faule Zähne in einem gesunden Gebiss bezeichnete, das per "Deportation" (!) saniert gehöre', von dem Nawalny sich noch 2017 im Guardian www.theguardian.co...mes-come-to-an-end nicht distanzieren wollte.

    Auch wenn Robert Habeck Nawalny nach seinem Tod auf Instagram mit den Worten 》Er war ein Patriot, der sich für Demokratie und den Rechtsstaat einsetzte und sein Land und die Menschen dort liebte. Mehr als sein eigenes Leben《 gewürdigt hat - besonders vor dem Hintergrund des 'Remigrations'treffens in Potsdam und den großen Demo gegen Rechts muss das klar als Rechtsextremismus benannt werden und darf nicht unter den Tisch gekehrt werden, gerade auch, weil Nawalnaja nun Vorsitzende der Human Rights Foundation ist.

    • @ke1ner:

      Also sind sie insgeheim froh, dass Putin ihn um die Ecke gebracht hat?



      Es gibt auch Dokumentationen,, die sein Verhalten von damals erklären und argumentieren, dass dieses rein taktischer Natur war, um auch am rechten Rand Stimmen zu fischen.



      Jeder Mensch kann sich ändern und Imam sollte hier nicht vergessen wer Opfer und Täter war bzw. ist.

  • Recht hat sie und wird es hoffentlich irgendwann auch bekommen. Allen Alternativen Putinverstehern zum Trotz.

  • Was für ein armseliger Haufen doch im Kreml sitzt.



    Da bringen Sie erst ihren Mann in Lagerhaft um und nun wird die Witwe zur Fahndung ausgeschrieben.



    Ich glaube Putin hat schon nen Strich in der Hose vor Angst, wenn er sein Schlafzimmer verlässt.

  • Was für eine tolle Frau! Diesen Mut von ihr und ihren MitstreiterInnen würde ich mir auch von mehr Palestinenser/innen gegen die Hamas oder von mehr Türkinnen gegen Erdogan wünschen.



    Aber ich kann auch gut diejenigen verstehen die Angst um sich und ihre Familien haben und sich mehr Unterstützung von aussen wünschen.