Ehrensache, Ohrensache

Immer im Dienste des Ohrs: Ein Kurzbesuch im Lauscher-Museum im schwäbisch-fränkischen Öhringen

Nicht Donald Trumps Ohr, sondern das eines Stiers ist die Trophäe, die ein Torero hochhält Foto: ap

Von Oliver Domzalski

Gerd Hase bemüht sich sichtlich um Pietät, aber er kann nicht verbergen, dass er vor Stolz beinahe platzt, als er das kleine Schächtelchen öffnet. Darin liegt ein winziger hautfarbener Fetzen.

„War nicht billig“, gibt er zu. „Für die Knorpelstücke von Trumps angeschossenem Ohr ist im Darknet sofort ein Riesenmarkt entstanden. Ich hab jetzt endlich eins ergattert für mein Ohratorium – das Museum rund ums Ohr.“

Aber woher will er wissen, dass das Objekt wirklich von Donald himself stammt?

Hase nickt wissend und zieht ein Mikroskop heran. „Sehen Sie hier? Außer roten Farbspritzern vom Blut gibt es auch karottenfarbige. Dieses Stück Fleisch muss sich nahe an Trumps Frisur befunden haben, das ist eindeutig. Aber zur Absicherung besorge ich mir in der Pfalz gerade die Pantoffeln seines Urgroßonkels. Erst wenn die DNA übereinstimmt, stelle ich das Objekt aus. Ehrensache.“

Und da wir schon mal hier sind, führt Hase uns durch die beiden Schuppen im schwäbisch-fränkischen Öhringen, die seine Exponate beherbergen. Natürlich per Audio-Guide.

„Das war meine Erfindung damals, als Kopfhörer erschwinglich wurden. Haben dann alle Museen nachgemacht. Aber Geld hab ich dafür nie gesehen. Dabei würde ich diese Karre so gerne austauschen gegen einen Original-Horch.“

Er zeigt etwas verächtlich auf einen beigefarbenen Audi 60 der piefigsten Sorte. Wir erfahren staunend: „Audi“ ist die lateinische Übersetzung des Imperativs „Horch!“ So lösten die humanistisch gebildeten Kreise des Kaiserreichs einst den Streit um die Namensrechte an der Marke.

In einer kleinen Vitrine liegt Schmuck. Und darüber ein Druck des bekanntesten Gemäldes von Jan Vermeer. „Bilder kann jeder“, spottet Hase. „Aber das hier sind die Perlenohrringe des Mädchens. So was hat sonst niemand.“

Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Misstrauen fragen wir: „Sind das die Originale?“ Hase kalauert routiniert zurück: „Ich habe nur Ohriginale. Ehrensache. Beziehungsweise Ohrensache.“

Weitere Drucke zieren die Wand über der Vitrine: Der erste HNO-Cartoon von Ralph Ruthe. Und merkwürdigerweise auch Munchs „Schrei“. Hase nickt: „Was meinen Sie, wie laut dieser Schrei ist? Mindestens 90 Dezibel. Das ist absolut ohr-relevant. Apropos: Ich habe auch das Urdezibel hier. Ist zusammen mit dem Urmeter entstanden, das in Paris liegt. Ist aber gerade in der Werkstatt.“

Für die blutigen Knorpelstücke von Trumps Ohr gab es im Darknet sofort einen Riesenmarkt

Im Vorbeigehen weist Hase uns auf das posthume Hörgerät für Ludwig van Beethoven hin, das ein musikbegeisterter Amateurtüftler zum 100. Todestag 1927 gebastelt hat. Und auch ein Abguss des rechten Ohrs von König Charles ist zu sehen.

Vor einem Schaukasten mit einem blutverschmierten Lappen bleibt Hase versonnen stehen: „Hier kommt dann der Trump dazu. Passt doch zu van Goghs Verband vom 2. Weihnachtstag 1888. Mit Zertifikat! Der Händler, der mir den geliefert hat, sagt auch, dass er weiß, wo das abgeschnittene Ohr selbst ist. Das wäre natürlich die Krönung meiner Sammlung. Ich bin in Gesprächen mit einer Hamburger Illustrierten, die das vielleicht finanziert.“

Warten wir also gespannt auf diese Sternstunde des Investigativ­journalismus.