Sinn Féin ist Wahlverliererin

Irlands Regierung überrascht nach Überraschungssieg bei Kommunal- und EU-Wahl. Jetzt will sie arbeiten

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Irlands Premierminister Simon Harris hat am Wochenende vorgezogene Parlamentswahlen abgelehnt. „Die Menschen haben bei den Kommunal- und Europawahlen nicht für einen­ Wandel gestimmt“, sagte er. „Sie erwarten stattdessen, dass ich loslege und meine Arbeit mache.“ Der 37-Jährige hatte das Amt erst Ende März übernommen.

Irlands zwei große Regierungsparteien hatten bei den Wahlen am 7. Juni überraschend gut abgeschnitten, während Sinn Féin, der ehemalige politische Flügel der aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), die größte Wahlverliererin war. Sinn Féin kam nur auf gut 11 Prozent der Stimmen. Dabei hatte sie bei Umfragen vor wenigen Monaten noch bei über 30 Prozent gelegen..

Der Absturz war dramatisch. In einigen Wahlkreisen nahmen sich Kandidaten gegenseitig Stimmen weg. Die Ablehnung der Ausweisung der israelischen Botschafterin in Irland kostete Sinn Féin Stimmen bei jüngeren Wählern, ebenso wie die Reise der Parteichefinnen Mary Lou McDonald und Michelle O’Neill zur St.-Patrick’s-Day-Feier nach Washington, obwohl die Parteibasis wegen der Israelpolitik der USA zum Boykott aufgerufen hatte.

Neben den Regierungsparteien Fianna Fáil und Fine Gael, die Irland seit der Staatsgründung vor gut hundert Jahren abwechselnd regieren und jeweils vier Europamandate gewannen, sind parteilose Kandidaten die Wahlgewinner. Die Grünen, Steigbügelhalter der Koalition, haben ihre beiden Europaabgeordneten verloren.

Derweil hat der EU-weite Rechtsruck auch vor Irland nicht haltgemacht. So zieht Ciaran Mullooly ins Europaparlament eint, ein ehemaliger Fernsehreporter. Er gehört der erst im November letzten Jahres gegründeten Partei Independent Ireland an. Sie tritt für die „Sicherung der irischen Grenzen“, die Senkung der Kohlendioxidsteuer sowie den „Schutz der Landwirte und Fischer vor EU-Vorschriften“ ein. Bei den Kommunalwahlen, die gleichzeitig mit der Europawahl stattfanden, gewann die Partei 23 Sitze.

Die Kombination aus einer hohen Zahl an Geflüchteten, einem schnellen Bevölkerungswachstum, einer Zweiklassenwirtschaft und einer katastrophalen Wohnungsbaupolitik hat dazu geführt, dass auch andere rechtsextreme Parteien bei den Kommunalwahlen Sitze gewannen. Noch ist diese Bewegung zersplittert, aber sie beginnt sich zu profilieren.