Kinderreport 2024 vorgestellt: Mehr Beteiligung nötig und möglich
Deprimierendes Ergebnis: Nur neun Prozent der Kinder und Jugendlichen findet, ihre Generation wisse ausreichend über demokratische Abläufe Bescheid.
Die Erwachsenen meinen allerdings zu 54 Prozent, dass es Kindern und Jugendlichen an Kompetenzen fehle, um an demokratischen Prozessen teilzuhaben. Das sehen die selbst zu 48 Prozent so. Jeweils 89 Prozent beider befragter Gruppen sind der Ansicht, im Unterricht sollten aktuelle politische Ereignisse mehr besprochen und erklärt werden.
Der jährlich erscheinende Kinderreport fußt auf repräsentativen Befragungen. In diesem Jahr stand das Thema Demokratiebildung im Mittelpunkt. 666 Kinder und Jugendliche sowie 1.000 Erwachsene wurden dafür getrennt im Januar befragt. Vorgestellt wurde der Bericht vom Präsidenten des Deutschen Kinderhilfswerks (DKHW), Thomas Krüger, dem DKHW-Geschäftsführer Holger Hofmann und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst.
Der Report zeigt, dass Kinder und Jugendliche sich mehr Empowerment und Bildung wünschen, um sich eben mehr einbringen zu können. Ein großer Faktor, warum sie es bisher nicht tun, sei auch, dass es Kindern und Jugendlichen an Informationen über politische Abläufe und damit Partizipationsmöglichkeiten fehle. Während die Hälfte der befragten Erwachsenen angibt, Kinder seien ausreichend über politische Prozesse informiert, glauben das nur neun Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen.
Nur unzureichend über politische Prozesse informiert
Kinder und Jugendliche sollten besser lebensweltnah und zielgruppengerecht über politische Prozesse und Themen informiert werden, fordert das Deutsche Kinderhilfswerk in seinem Report. Zu erreichen sei das „über die reine Wissensvermittlung, praktische Beteiligungserfahrungen im Bildungssystem oder auch die Stärkung der Beteiligungskultur in Familien“.
„Die Demokratie ist eine Gesellschaftsform, die in jeder Generation neu gelernt werden muss und deren Fortbestand nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden darf“, sagte DKHW-Präsident Krüger, der auch Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung ist. Dementsprechend sei Demokratiebildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Laut dem Kinderreport sehen 81 Prozent der Erwachsenen als einen Grund für einen Verlust der Demokratiefähigkeit, dass in der Gesellschaft generell der respektvolle Umgang mit und die Offenheit für verschiedenen Meinungen abnehme. 68 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen sind frustriert, weil ihre Interessen in der Gesellschaft nicht berücksichtigt werden würden.
Kinder und Erwachsene setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte im Hinblick darauf, wer die hauptsächliche Verantwortung für die Demokratieförderung bei Kinder- und Jugendlichen trägt. Während Erwachsene mit 85 Prozent die Eltern und die Familie als wichtigste Quellen ansehen, sind es bei Kindern und Jugendlichen zu 73 Prozent Institutionen, wie Schule und Kita.
Auftrag für Politik und Gesellschaft
Krüger sagte dazu, es brauche flächendeckend ausgebaute politische Bildung. Hier spielten Soziale Medien eine Schlüsselrolle. Dort werde aber von Jugendlichen alles als „Nachricht“ wahrgenommen. Um dem entgegenzuwirken, gehörten Medienbildung und politische Bildung zusammen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wüst bewertete die Umfrageergebnisse als klaren Auftrag für Politik und Gesellschaft, dass Kindern und Jugendlichen besser zugehört müsse. Ihre Anliegen müssten stärker in politische Entscheidungen einbezogen werden. „Wenn sich junge Leute nicht mehr einbringen wollen, wie funktioniert dieses Land dann?“, fragte er rhetorisch.
„Wir müssen als Demokraten um diese Jugend kämpfen“, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die Ergebnisse bei der Europawahl. Die AfD hatte bei jüngeren Menschen deutlich zugelegt. Es gehe darum, Partizipation “„schon bei den Kleinsten in der Kita, in der Grundschule“ erlebbar und Freude daran zu machen. „Kinder brauchen Raum, Demokratie zu lernen“, sagte Wüst.
Neue Kommunikationswege und Inhalte
Auch Jaqueline Kauka, Referentin für Grundsatzfragen des Landesjugendrings Berlin, bezeichnete es gegenüber der taz als „besonders wichtig, dass Kinder und Jugendliche Selbstwirksamkeit erfahren“. So müssten Jugendclubs, und andere Orte, an denen das möglich sei, eine dauerhafte Förderung erhalten.
Kauka sieht Kinder und Jugendliche nicht in der alleinigen Verantwortung sich zu informieren. Sie müssten „über ihre Kommunikationskanäle angesprochen werden, auch über Soziale Medien“, sagte sie der taz.
Es müssten Kommunikationswege und Inhalte gewählt werden, die der Lebensrealität entsprächen, so Kauka. Zudem gehörte zur stärkeren politischen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, dass einerseits Räume und Gelegenheiten dafür geschaffen werden. „Andererseits müssen ihre Themen auch von der Politik in Inhalte übersetzt werden“, forderte sie.
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