: Ultraorthodoxe müssen zur Armee
Die Entscheidung von Israels Oberstem Gericht stellt Netanjahus Rechts-Koalition vor eine Zerreißprobe
Von Jannis Hagmann
Mitten während des Gazakriegs hat Israels höchstes Gericht eine Entscheidung getroffen, die das Land verändern könnte: Die Armee muss in Zukunft auch ultraorthodoxe Juden zum Militärdienst einziehen. Die Richter urteilten einstimmig, dass es vor dem Gesetz keinen Unterschied zwischen ultraorthodoxen und anderen Wehrpflichtigen gebe. „Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine ungleiche Verteilung der Bürde größer denn je und erfordert eine Lösung“, hieß es in der Urteilsbegründung. Es gebe keine gesetzliche Grundlage, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien. Zudem sollen religiöse Schulen keine staatlichen Zuschüsse mehr erhalten, wenn ihre Schüler nicht in der Armee dienen.
Über das Thema wird seit Jahrzehnten gestritten. Mittlerweile sind mehr als zehn Prozent der Israelis ultraorthodox; die Gruppe wächst von allen Bevölkerungsgruppen des Landes am schnellsten. Bisher war es üblich, dass Ultraorthodoxe vom Militärdienst ausgenommen werden, um sich ihrem religiösen Studium widmen zu können. Viele Israelis empfinden dies als ungerecht. Sowohl Frauen als auch Männer sind in Israel zu einem zwei- bzw. dreijährigen Militärdienst verpflichtet.
Hinzu kommt, dass Israels Armee an ihre Grenzen stößt. „Aufgrund des Krieges brauchen wir mehr Soldaten und die mögliche Quelle dafür sind die Ultraorthodoxen, jetzt müssen die Armee und die Regierung einen Weg finden, die Entscheidung (des Gerichts) umzusetzen“, sagte Shuki Friedman vom Jewish People Policy Institute am Dienstag gegenüber der taz und anderen Medien.
Friedman verwies auch darauf, dass die Entscheidung die rechtsreligiöse Koalition von Benjamin Netanjahu in eine Krise stürzen und zum „Zusammenbruch der Regierung“ führen könnte. Netanjahu wird von ultraorthodoxen Parteien unterstützt. Diese lehnen die Rekrutierung von ultraorthodoxen Männern strikt ab.
Zuletzt hatte die Koalition ein Gesetz auf den Weg gebracht, das ultraorthodoxe Männer de facto vom Militärdienst befreit hätte und die Ausnahmen für Ultraorthodoxe auf diese Weise gesetzlich zementiert hätte. Das Gesetzesvorhaben ist aber nicht erfolgreich gewesen. Der Gesetzentwurf sah vor, dass ultraorthodoxe Männer durch den Besuch einer religiösen Schule ihren Wehrdienst hinauszögern können, bis sie aufgrund ihres Alters nicht mehr wehrpflichtig sind.
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