Wutausbrüche vor der Menstruation: Fliegender Ehering, große Scham
Kurz vor ihrer Periode packt unsere Kolumnistin die Wut, manchmal gehen Sachen zu Bruch und darauf folgt Scham. Mehr darüber zu sprechen würde helfen.
H ier war wieder was los. Ist es genau genommen noch immer. Eine Woche voller Heißhunger und Wut. Zwischendrin ein paar Tränen. Ich liebe Abwechslung. Und was ist der Grund für dieses Emotionsgelage? Na ist doch klar! Die Menstru, die ist nah! Diese Kolumne mit Ehering am Finger tippen zu können, ist nicht selbstverständlich, denn es begab sich, dass er flog. Durchs Wohnzimmer.
Der Ehering hat bereits Ecken unserer Wohnung zu sehen bekommen, deren Existenz ich nur erahnen kann. Siebzig Prozent, ach was, neunzig Prozent der Streitereien in diesem Haushalt sind auf die nicht vorhandene Ordnungsliebe meines Mannes zurückzuführen. Kann er ruhig lesen, dass ich ihm die Schuld gebe. Ihm und meinen Hormonen. Für die Wäsche ist er zuständig und manchmal hängt die tagelang – bereits getrocknet – auf dem Wäscheständer. Ist es denn zu viel verlangt, diese drei Minuten Zeit aufzuwenden, um sie abzuhängen? Für ihn wohl schon. Nicht sehr durchdacht von ihm, denn den Ehering zu suchen dauert um einiges länger. Einmal (ich vermute stark noch am selben Tag von meiner Periode ereilt worden zu sein) drohte ich den Ring das Klo runterzuspülen.
Ja, das ist nicht die feine englische Art, genau genommen ist es gar keine feine Art. Doch ich möchte mit dieser Kolumne ja auch entlasten. Wir alle legen – besonders während PMS – Verhaltensweisen an den Tag, für die wir uns kurz darauf zutiefst schämen. Die Scham würde schrumpfen, wenn wir mehr über diese Ausfälle sprechen könnten. Denn kleiner zu werden, gar zu verschwinden, liegt nicht im Interesse der Scham. Sie ist ganz schön willensstark, will unbedingt überleben.
Sich auszutauschen hilft
Stellen wir uns doch mal vor, wir kommen auf die Arbeit und dies könnte der Inhalt eines alltäglichen Gespräches sein: „Gestern hab ich meinen Koffer gepackt und mich in ein Taxi zum Flughafen gesetzt. Mir hat’s gereicht. Die Kinder wollten die Hausaufgaben nicht machen, die Chefin rief an, ich hätte vergessen ein Dokument zu unterschreiben, und mein Unterleib drohte zu platzen.“
„So was kenne ich! Neulich habe ich die Lieblingstasse meiner Freundin auf den Boden geschmissen. Das war so gemein von mir, wie fremdgesteuert hab ich mich gefühlt. Tut gut, mal drüber zu reden!“ Da hätte die Scham wenig Chancen!
Folgendes Geständnis dürfte auch nicht im Interesse der Scham sein: Bei uns musste mal der Glaser kommen. Wir wohnen im Altbau, unsere Klotür ist weiß gestrichen und ich hatte absolut keine Ahnung, dass sich hinter diesem Weiß zwei Fenster versteckten. Die Maler*innen hatten gute Arbeit geleistet! Was weiß denn ich, warum ich so wütend wurde, irgendwas mit Unordnung, Traurigkeit und PMS wird’s schon gewesen sein. Auf jeden Fall schlug ich gegen die Tür. Es klirrte. Überall Scherben. Fuck. Wo kam denn plötzlich das Fenster her? Ich schämte mich irrsinnig, weinte und schrie also noch mehr. Was bin ich denn für ein Monster, in unserer gemütlichen Wohnung eine Tür kaputt zu hauen?
Noch am selben Tag kam der Glaser, setzte ein neues Fenster ein und mit diesem auch die Sicherheit: Selbst wenn man mal durchdreht, ist nicht alles verloren, man kann es reparieren, es wird einem verziehen. Nur sich selbst zu verzeihen, das ist das Schwerste.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos