Antisemitischer Angriff in Berlin

Ein Jude ist in der Hauptstadt offenbar wegen seiner Kleidung auf offener Straße attackiert worden

Aus Berlin Gereon Asmuth

Bei einem mutmaßlich antisemitischen Vorfall hat ein Unbekannter in Berlin einen jüdischen Mann angegriffen. Der 54-Jährige sei unverständlich beleidigt worden, es seien die Worte „Free Palestine“ gefallen, teilte die Polizei am Sonntag mit. Der Unbekannte habe den Mann dann zu Boden geschubst und ihn mit einem E-Scooter an der Hand verletzt. Der Vorfall habe sich bereits am Freitagnachmittag ereignet.

Der jüdische Mann sei als Jude erkennbar gewesen – unter seinem T-Shirt habe ein Gebetsmantel hervorgeschaut. Der Vorfall sei am Freitagnachmittag in der Brunnenstraße geschehen – in der Nähe gibt es zwei Synagogen. Nun ermittelt der Staatsschutz.

Die jüdische Gemeinde Kahal Adass Jisroel teilte auf X (ehemals Twitter) mit, der Angegriffene sei Mitglied ihrer Gemeinde. Der Mann habe einen Knochenbruch erlitten und im Krankenhaus behandelt werden müssen. Nach Angaben der Gemeinde habe die am Freitag eingetroffene Polizei den Vorfall als gefährliche Körperverletzung und nicht als antisemitischen Vorfall gewertet. In ihrer Pressemitteilung von Sonntag sprach die Polizei dann aber von einem „Angriff mit antisemitischem Hintergrund“.

Kahal Adass Jisroel (KAJ) hat ihr Gemeindehaus samt der Synagoge Beth Zion, einer Kita und weiteren Einrichtungen weiter südlich an der Brunnenstraße im Ortsteil Mitte.

Die Brunnenstraße verbindet zwei sehr unterschiedliche Kieze miteinander. Im Süden, der einst zu Ostberlin gehörte, liegt ein durchsaniertes Altbauviertel mit entsprechend hohen Mieten. Nördlich des ehemaligen Mauerstreifens führt die Straße durch das Viertel Gesundbrunnen (Wedding), das durch den sozialen Wohnungsbau der 60er und 70er Jahre geprägt ist.

Das Gemeindehaus war bundesweit bekannt geworden, als Mitte Oktober 2023 Unbekannte Brandsätze auf das Gebäude geworfen hatten. Am 9. November hatte in der Synagoge Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht 85 Jahre zuvor zum Schutz jüdischen Lebens aufgerufen.

Die orthodoxe KAJ steht laut eigenen Angaben „für ein authentisch-traditionelles Judentum, das durch die Mitglieder und die Gemeinde sichtbar das Stadtbild prägt“. Die traditionelle Kleidung vieler ihrer Mitglieder gehört seit Jahren fest zum Stadtbild rund um die kleine Synagoge.

Der Attackierte sei ein jüdischer Flüchtling aus der Ukraine, teilte die Gemeinde weiter mit. Er sei traumatisiert und verängstigt. „Er leidet insbesondere darunter, nach dem Trauma des Kriegsausbruchs und seiner Flucht aus der Heimat nach Deutschland sich nunmehr auch hier nicht mehr in Sicherheit fühlen zu können.“