: Gegen die Ausgrenzung
Im Libanon organisieren sich mutige ausländische Hausangestellte, die oft rechte- und würdelos behandelt werden
Aus Beirut Julia Neumann
Für ausländische Haushaltsangestellte im Libanon gibt es am Tag der Arbeit wenig zu feiern. Sie sind vom Arbeitsrecht ausgeschlossen. Das Arbeitsgesetz verbietet es ihnen sogar, eine Gewerkschaft zu gründen. Im Libanon leben rund 250.000 ausländische Hausangestellte. Männer reinigen meist Fenster, arbeiten bei der Müllabfuhr oder an Tankstellen. Frauen arbeiten als Putzkräfte und Haushaltshilfen. Sie pflegen auch ältere Menschen, denn Altenpflege ist im Libanon Privatsache. Die Familie sollte den Angestellten im Gegenzug Essen, Kleidung, Lohn zahlen und ein Zimmer stellen.
Die Realität sieht anders aus: „Oft haben die Arbeiterinnen nicht mal ein Zimmer, sie schlafen im Wohnzimmer, im Flur, im Bad oder auf dem Balkon“, beschreibt Messi Mandefru von der NGO Egna Legna die Situation für äthiopische Hausangestellte im Libanon. „Sie müssen warten, bis alle ins Bett gehen, damit sie schlafen können. Sie arbeiten jeden Tag, oft durchgehend, sie schlafen nicht mal vier Stunden. Es ist ihnen verboten, mit ihrer Familie zu kommunizieren oder mit den Nachbarn zu reden.“
Die Ausbeutung fange bei den Agenturen an. Sie rekrutieren die Arbeitskräfte in Äthiopien, den Philippinen oder Pakistan und verlangen dafür oft hohe Gebühren. Im Gegenzug versprechen sie ein gutes Gehalt in US-Dollar, das Arbeiter*innen an ihre Familien schicken können. Dahinter verbirgt sich ein ausbeuterisches System: Ihr Arbeitsvisum ist mit dem Arbeitgebernamen, dem Kafil – übersetzt Sponsor –, verbunden. Wer seine Arbeitsstelle verlässt, weil etwa die Bezahlung ausbleibt, ist ab dann illegal im Land, weil die Aufenthaltsgenehmigung an den Sponsor gekoppelt ist.
Die Behörden unterstützen die Ausbeutung. Am Flughafen warten Frauen teilweise tagelang in einem kleinen Zimmer unter Aufsicht der Behörden ohne Essen darauf, dass sie von ihren Sponsoren abgeholt werden. „Wenn sie dann in den Haushalt kommen, sollen sie gleich arbeiten, ohne Pause. Arbeitgeber*innen werfen persönliche Gegenstände weg, weil sie angeblich nicht sauber seien, und zwingen uns zum Duschen“, erzählt Mandefru. „Sie konfiszieren persönliche Gegenstände wie Telefone und auch den Pass.“ Auch Besuch sei nicht gestattet. Die durchgehende Sorge, etwas falsch zu machen oder bestraft zu werden, sowie die Gefahr, misshandelt zu werden, habe einen starken Einfluss auf die Psyche: Depression, Angststörung, suizidale Gedanken.
Wegen der sozialen Isolation und Furcht vor Konsequenzen ist es sehr schwer, überhaupt aus dem Haus zu kommen, geschweige denn, am 1. Mai aus Protest auf die Straße zu gehen. Trotzdem organisieren sich mutige Migrant*innen im Libanon in dieser zutiefst ungerechten Situation und bilden Gemeinschaften. Vor allem Frauen kämpfen an vorderster Front für gerechtere Arbeitsbedingungen für alle. NGOs wie Egna Legna organisieren Wohnungen, Essen, Rückflüge aber auch Zusammenkünfte und Weiterbildung oder psychologische Unterstützung. Sie kämpfen dafür, Pässe zurückzubekommen, und möchten das Kafala-System abschaffen, das sie als moderne Sklaverei bezeichnen. Der Libanon solle die Arbeiter*innen in das Arbeitsgesetz aufnehmen, „was uns vor all diesen Schrecken schützen würde“.
Solch einen Vorstoß gab es 2020 von der damaligen Arbeitsministerin. Doch die Gewerkschaft der Personalvermittlungsagenturen hatte Beschwerde eingelegt und das Oberste Verwaltungsgericht hat die Umsetzung eines Standardvertrags mit Mindestlohn und Schutzmaßnahmen gegen Zwangsarbeit geblockt. „Libanon ist ein demokratisches Land. Warum sind wir als Haushaltsangestellte davon ausgeschlossen?“, fragt Amira Gidey von Egna Legna.
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