Rekord-Streik nahe Leipzig: Schrottfirma sperrt Streikende aus
Der Arbeitskampf bei SRW metalfloat dauert schon 180 Tage an. Nun ist er weiter eskaliert. Ministerpräsident Kretschmer ruft zu Verhandlungen auf.
Auf einem Zettel am Werkstor informierte Geschäftsführer Thomas Müller seine streikenden Arbeiter:innen am Montagmorgen, dass er sie nun ausgesperrt hat. „Mit der Aussperrung erkläre ich gleichzeitig ein Hausverbot für das ganze Gelände“, steht darauf. Die Recycling-Firma SRW metalfloat in Espenhain, südlich von Leipzig, reagiert damit auf die Mitteilung der Arbeiter:innen, ihren Streik am 180. Tag zu „unterbrechen“. Arbeiten dürfen sie nun trotzdem nicht.
Stattdessen zahlt die IG Metall nun weiter Streikgeld. Deren Gewerkschaftssekretär Michael Hecker erklärte, die Unterbrechung sei ein Versuch gewesen, mit der Firma SRW und der Scholz Gruppe, dem Mutterkonzern, eine Gesprächsebene herzustellen: „Aber der bleibt seiner aggressiven Linie aus den vergangenen Monaten treu.“
Von SRW und der Scholz Gruppe heißt es hingegen, die Unterbrechung sei nur eine vermeintliche Friedensgeste. Der Konzern vermutet einen Trick. Würde man die Streikenden wieder eingliedern, könnten sie unangekündigt ihre Arbeit niederlegen, heißt es. Das würde die Produktion von SRW schädigen. „Wir können aber das Risiko nicht eingehen, unsere Betriebsabläufe zu gefährden“, so der Geschäftsführer. Außerdem könne das Unternehmen seine streikenden Arbeitnehmer:innen nicht so schnell wieder in den Betrieb eingliedern.
Ein Teil der Belegschaft hatte sich dem Streik nicht angeschlossen und arbeitet weiterhin. In den rund sechs Monaten des Streiks hat SRW die Produktion verändert, um sie mit weniger Beschäftigten aufrechtzuerhalten. Eine erneute Änderung sei zeitaufwendig.
Das sei vorgeschoben, entgegnet Gewerkschafter Hecker. Die Beschäftigten hätten dem Geschäftsführer Resturlaub angeboten, um dem neuen Schichtplan mehr Zeit zu geben. Mit der Aussperrung wolle die SRW nur Stärke demonstrieren, glaubt er. „Das ist ein absoluter Skandal. Eine Aussperrung bei Streiks gab es 40 Jahre lang nicht.“
Streik für Tarifvertrag
Kern des Konflikts ist weiterhin: Die Streikenden bestehen auf einen Tarifvertrag, die Scholz Gruppe lehnt einen solchen ab. Sie möchte stattdessen interne Betriebsvereinbarungen. Damit habe man gute Erfahrungen gemacht, könne flexibel auf Konjunkturveränderungen reagieren, und die Arbeitnehmer:innen hätten trotzdem Rechtssicherheit. „Falls sich nicht an den Vertrag gehalten würde, könnten sie klagen“, heißt es.
Allerdings böten Tarifverträge für Beschäftigte mehr Sicherheit. Sie könnzen beispielsweise nicht einfach vom Arbeitgeber aufgekündigt werden, hält Gewerkschafter Hecker dagegen. „Der Tarifvertrag ist das einzige Werkzeug, das den Sozialpartnern kollektiv rechtssichere Regelungen bietet.“
Der Arbeitskampf in Espenhain zieht weite Kreise. Im vergangenen halben Jahr haben verschiedene Politiker:innen den Streik besucht, darunter auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Auf taz-Anfrage sagte dieser nun, er achte die verfassungsrechtlich gebotene Tarifautonomie, frei von staatlichen Einflussnahmen. Trotzdem appelliere er an die beteiligten Parteien, eine Lösung herbeizuführen.
Der Linken-Bundespolitiker Gregor Gysi war im Februar ebenfalls in Espenhain und sagte auf Anfrage der taz nun: „Die Aussperrung von Beschäftigten, die ihren Streik unterbrechen wollen, halte ich für verfehlt.“ Vom Geschäftsführer habe er gehört, dass dieser nicht mit der IG Metall verhandeln wolle. „Gewerkschaften sind aber die Interessenvertreterinnen der Beschäftigten“, erklärt Gysi der taz. Er wolle sich erneut an die Gewerkschaft und den Geschäftsführer der Scholz Gruppe wenden.
Gregor Gysi, Die Linke, will nun mit Arbeitgeber und Gewerkschaft sprechen
Auch Henning Homann, Landesvorsitzender der SPD, hat die Streikenden mehrfach besucht, kritisiert nun das Vorgehen von SRW und fordert Konsequenzen: „Wer so mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgeht, sollte auch keine öffentlichen Aufträge oder Förderung erhalten.“
Für die Streikenden sei die Situation frustrierend, sagt Michael Hecker. Einzelne haben sich neue Arbeitgeber gesucht, darunter auch der Betriebsratsvorsitzende. Aufgeben wollen die Streikenden aber nicht.
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