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Schwarzer Block wird buntBruch mit der Tradition

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

In Hamburg will die radikale Linke nur noch als Schwarzer Block auftreten, „wenn es nötig ist“. Doch wann wäre das?

Ja wo ist er denn, der Schwarze Block? „Revolutionäre 1. Mai-Demo“ in Hamburg Foto: Axel Heimken/dpa

D er Schwarze Block ist tot. Lang lebe der Schwarze Block! Die Demonstrationstaktik, dass alle Teil­neh­mer*in­nen schwarz vermummt kommen, ist nicht komplett abgeschrieben. Aber ihre unhinterfragte Kontinuität ist gebrochen. Das hat sich am 1. Mai in mehreren Städten gezeigt.

In Hamburg hatte die anar­chis­ti­sche Gruppe Schwarz-­Roter 1. Mai einige Tage vor dem Tag der Ar­bei­ter*in­nen dazu aufgerufen, entgegen ihrer Tradition nicht in Schwarz zu erscheinen. Was kurz wie ein Scherz klang, war gut durchdacht und begründet. Die Black-Block-­Taktik wirke abschreckend und sei alles andere als barrierearm, schrieben die Anar­chist*in­nen auf ihren Social-Media-Kanälen. Marginalisierte Personen wie Papierlose, aber auch Familien mit kleinen Kindern oder ältere Menschen fühlten sich nicht wohl, wenn man aufgrund von hochgezogenen Transparenten nicht gut sehen könne, es unerwartet knalle und rauche und die Situation sich jederzeit dynamisch und bedrohlich gestalten könne.

All das gehört zu einem Schwarzen Block ebenso dazu wie dunkle Schals und Kapuzenpullover. Aber: „Anarchismus ist mehr als der Schwarze Block“, schreibt der Schwarz-Rote 1. Mai. Und so kam es auch: Der einzige Schwarze Block war am Mittwochmittag der, der vor der Demo herlief: die Polizei.

Die Linksradikalen in Hamburg sind nicht die Einzigen, die sich entsprechende Gedanken machen. Auch Dresdener Anar­chist*in­nen hatten dazu aufgerufen, sich nicht zu vermummen.

Die Antifagruppe namens Winsen Luhe Against Nazis hatte schon im vergangenen Jahr einen Text veröffentlicht, der dafür wirbt, Schwarz nur dann zu tragen, wenn es nötig sei. Auch die Offene Anar­chis­ti­sche Vernetzung Leipzig griff das auf.

Unnötige Repression

Die Linken nennen noch einen Grund für die Entscheidung: Der Black Block werde inflationär genutzt. Man vermittle damit eine Militanz, die man oft nicht durchsetzen könne, und setze Menschen unnötiger Repression aus. Der Dresscode ergebe auf einer angemeldeten Demo keinen Sinn. „Trage Schwarz wenn nötig“, sei die Devise.

Aber wann ist der Schwarze Block nötig? Wenn etwa die G20-Staats­chef*in­nen samt Autokraten wie Recep Tayyip Erdoğan und Kriegstreibern wie Wladimir Putin in die Stadt kommen und dann die Versammlungsfreiheit mittels einer riesigen Demoverbotszone außer Kraft gesetzt wird, wie es 2017 in Hamburg geschah – das war so ein Szenario.

Die Antwort der linken Szene in Richtung der politisch Verantwortlichen war da durchaus folgerichtig: „Wenn ihr denkt, ihr könnt hier machen, was ihr wollt, machen wir auch, was wir wollen.“ Sprich: Wir stören Abläufe, stiften Chaos und machen Sachen kaputt. Das vermittelt man nicht mit einer bunten Latschdemo.

Die Formel: „­Militanz ohne Militanz“

Der Hamburger Staatsanwaltschaft würde es gefallen, alle in Kollektivhaft zu nehmen, die sich am Schwarzen Bock beteiligt haben. Genau das passiert gerade beim G20-Rondenbarg-Verfahren vor dem Hamburger Landgericht. Eine entscheidende Frage dort ist: War die Demo ein Schwarzer Block? Wenn ja, sieht es schlecht aus für die Angeklagten. Denn dann sei das Ziel Chaos und Zerstörung gewesen, also Landfriedensbruch, argumentiert die Staatsanwaltschaft.

Doch der als Sachverständige geladene Protestforscher Sebastian Haunss wies da­rauf hin, dass man es sich so leicht nicht machen dürfe. Zum Schwarzen Block gehöre es, Militanz anzudrohen, was oft nicht eingelöst werde. „­Militanz ohne Militanz“ sei die Formel.

Für die Militanten, die Friedlichen und die manchmal Militanten bleibt festzuhalten, dass es schlau ist, sich nicht immer so zu verhalten, wie es erwartet wird. Wer kräftemäßig unterlegen ist, sollte unberechenbar sein.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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10 Kommentare

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  • Ich verstehe diese Verklärung nicht.



    Das sind Gruppen, die Polizisten angreifen, Molotowcocktails werfen, Autos anzünden und Steine gezielt auf Menschen werfen. Ob die jetzt in schwarz auftreten oder in Regenbogenfarben ist letztendlich egal. Es sind Verbrecher, die hinter Gitter gehören.

  • Ich habe nie verstanden, wie sich Linke mit einem faschistoiden Dresscode identifizieren können. Ich habe das schon in meiner Jugend als Ausleben spätpupertärer Bedürfnisse gedeutet und konnte trotz eigener linker Gesinnung niemanden ernst nehmen, der freiwillig eine Uniform trägt.



    Es hat mich schon oft von der Teilnahme an wichtigen Demos abgehalten, obwohl ich mich mit den Inhalten identifizieren konnte.

  • Wenn ich das richtig sehe, ist das die zweite modische Veränderung, die der (nun nicht mehr) schwarze Block durchläuft.

    Zu meiner Zeit trug man mit Waffenöl gegen die Wasserwerfer imprägnierte Lederjacken, Schienbeinschoner an den Unterarmen, manche waren auch noch mit einem Suspensorium bewaffnet.

    Dazu eine Sturmhaube und manchmal auch Helme.

    Fertig war die "passive Bewaffnung", die dann irgendwann als ebensolche verboten wurde.

    Dann würde abgerüstet und man warf sich in schicke North Face Jacken.

    Dementsprechend gab es keine Stellungskriege mehr, das Geschehen wurde dynamischer.

    Jetzt wird es also bunt.

    Ob die Bürger jetzt das Glotzen sein lassen und sich einreihen, das wage ich zu bezweifeln.

    "Black ist black, i want my baby back."

    youtu.be/_CcdzkSlw...i=Lx1KtBqrMp6_AJbh

    • @Jim Hawkins:

      Danke. Da kommt ja fast etwas Romantik auf hier.

      Man sollte sich ganz dringend auf die Inhalte (deren Artikulation und Vermittlung) versteigen und kann den ganzen Quatsch auf der Straße auch ganz weglassen. Es ist halt nicht 1982 oder 2003, es ist 2024. Und was wir brauchen ist n´Plan und kein vermittelbares "Wir-Gefühl".



      Müsste ich es positiv sehen, dann sind die meisten Happenings dieser Tage von Demos bis Kundgebungen im besten Fall noch vernetzungstreffen der bestehenden Akteure (samt ihrer Schatten). Aber die Außenwirkung oder der "Bewegungsaspekt" ist meist unsichtbar und verschwindet hinter einer dicken Mauer, die jeden Tag bewusst dicker gemacht wird aus purer Ablehnung, Ressentiment und Ekel vor denen außerhalb der Mauer.



      Den Rassisten, den Groben und Dummen, den Sexisten, Chauvinisten und so weiter und so fort.



      Und wenn wir menschlich und ehrlich sind, dann ist das doch auch verständlich. Denn die meisten sind ja nicht Autonome geworden, weil sie so gerne Teil der Ellbogen und "tritt nochma drauf" Gesellschaft sein wollten.



      Das ist halt das Dilemma. Leider verträgt sich das nicht mit revolutionären oder auch nur Sinnstiftenden politischen Ansätzen. Von gelebter Theorie einmal ganz zu schweigen. Das taugt nur für richtig guten Punkrock. Naja und den schlechten auch.

      Das Auftreten, in wie auch immer gearteten Massen die grölen und und eine Agenda vor sich her tragen, wird nie dazu führen das Peter, Selem und Gülan am Straßenrand denken: Hey da geh ich mit. Die sollten entscheiden wie das mit der Gesundheitsversorgung und der Bildung geregelt wird. Die, und sonst niemand! Das haben die schon richtig erkannt."



      Schon im Sinne der Selbsterhaltung geht man da nicht mit.

      Somit ist die ganze Strategie zweifelhaft. Außer man möchte halt weiter einfach Subkultur sein und sich bewusst und aktiv von Mitmenschen und Gemeinschaft abgrenzen. Leider ist das eine ganz unterbewusste Triebfeder von vielem was sich grade noch so bewegt.

      • @Thomas O´Connolly:

        Bei Lichte betrachtet gibt es die radikale Linke nur noch in Spurenelementen.

        In früheren Jahren gab es noch regelmäßigen Auseinandersetzungen mit stalinistischen Gruppen wie der RIM, die man nicht in der Demo wollte und die dann auch ihren eigenen Aufzug machte.

        In kurzer Zeit ist es antiisraelischen, antiimperialistischen Fanatikern gelungen, die ganze Demo zu übernehmen. Einfach so.

        Was den Mummenschanz angeht, da war auch viel Pfeiffen im Walde, man gab sich kämpferisch, hatte aber die Hosen voll.

        Die Vermittlungsschwierigkeiten gab es auch schon immer, früher war eben mehr Bewegung insgesamt, in der man leichter Anschlüsse fand. Davon abgesehen waren die Analysen, die heute gar nicht mehr angestellt werden, auch eher schlicht, dichotomisch und falsch.

        Heute gibt es da nicht mehr, abgesehen von eventartigen Demos gegen die AfD.

        Der Traum scheint mir aus zu sein.

        • @Jim Hawkins:

          Gut gesagt. Dem ist nix mehr hinzuzufügen.

      • @Thomas O´Connolly:

        Seltsam: Wenn Linke marschieren, dann denken Peter, Selem und Gülan, die Linken wissen, was sie tun und man unterstützt die.

        Aber es wird nie dazu führen, sagst du. Lasse ich mal so stehen.

        Wenn Rechte marschieren, dann denken Peter, Selem und Gülan, die Rechten wissen, was sie tun und man unterstützt die.

        Und jetzt rate mal, wie das ausgeht.... Da stehen Deppen herum in hellblau und kriegen Applaus. Marschieren die, gibt es alle Jubeljahre mal ne größere Demo gegen die AfD wie jüngst vor wenigen Monaten geschen. Und die machen ein so geiles Image, dass selbst die Grünen ihre Politik übernehmen. Abschottung an Außengrenzen, freie Fahrt für meinen Diesel, und so weiter. Peter, Selem und Gülan haben natürlich längst ihr Kreuz bei der AfD gesetzt.

    • @Jim Hawkins:

      Selbst wenn sich kaum jemand einreiht, wäre es ein Fortschritt.

      Offenbar hat da jemand begriffen, dass es so nicht geht.

      Bei den Schwarz ging es ja nun nicht nur um Zweckmäßigkeit.

      Da ist auch die Autorin etwas dünn in der Argumentation, wenn sie so tut, als sei Rauch Knallerei und schwarze Kleidung irgendwie ein Naturgesetz.

      Wenn ich mich kleide wie ein Ninja-Kämpfer, der gerade sein Schwert vergessen hat, geht es auch um Furcht, die dieses martialische Auftreten in der Gruppe bei Dritten auslösen soll.

      Bei manchen scheint der Groschen gefallen zu sein, dass man damit breite Teile der Bevölkerung nicht überzeugt, aber Ultrarecht zum Nachahmen animiert.

      Die finden den Schwarzen Block ja auch irgendwie cool.

      Bomberjacke und weiße Schnürsenkel war bei denen gestern.

      "In bunt" kann nur besser sein.

      • @rero:

        Die Maskerade war eben auch eine Selbstvergewisserung, weil man sich als Kämpfer, gar Revolutionär sah, musste man auch so auftreten.

        Widersprüche waren nicht vorgesehen, es gab nur selten wirklich offene Debatten.

        Klar war die Notwendigkeit einer wie auch immer gearteten Revolution. Das geht nicht ohne Gewalt, also zieht man schon mal eine Uniform an.

  • Ehrlich gesagt wird das auch mal Zeit.

    Im Anarchismus sind Dinge, wie Dienstkleidung oder Dresscode verpönt, weil diese eine Herrschaft widerspiegeln, welche abgelehnt gehört. Die Krawatte des Piloten bei der Lufthansa ist die Hundeleine des Kapitalisten quasi.

    Und was im Berufsleben gilt, muss auch für Demos gelten.