AfD entdeckt Vielfalt für sich

Der Prozess zur Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz geht weiter. Und AfD-Scharfmacher Maximilian Krah gibt sich in Münster handzahm. Ein Urteil ist noch fern

Sonst poltert er, vor Gericht fühlt er sich missverstanden: AfD-Europa­spitzenkandidat Maximilian Krah Foto: Foto:Guido Kirchner/dpa

Aus Münster Gareth Joswig

Es war ein unfreiwillig komischer Moment im Sitzungssaal 1 des Oberverwaltungsgerichts Münster. Maximilian Krah, der selbst in Teilen der AfD wegen seiner Radikalität und seines Rassismus angefeindet wird, sagte am Ende seiner Ausführungen zum Volksbegriff, dass er sich falsch verstanden fühle. Der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl gab ein etwas mitleidiges Bild ab, war offensichtlich krank erschienen und hustete immer wieder zwischen seinen Ausführungen. Am Ende schloss er: „Das Leben ist bunt, es lebe die Vielfalt.“

Zusammenfassen lässt sich Krahs Vortrag mit: Er wolle doch nichts Böses. Er sei „ein Gegner der Assimilation“, behauptet er. Die AfD wolle nicht die private Ausübung des Islams einschränken. Nur das öffentliche Leben solle nach einer deutschen Leitkultur funktionieren. Das sei doch wie bei der CDU und in keiner Form verfassungsrechtlich bedenklich. Wegen des Hustens warf ihm Richter Gerald Buck mitleidig einen Hustenbonbon zu. Und vielleicht war es wirklich auch nur das Breitband-Antibiotikum, was aus Krah sprach, als er versuchte, den rassistischen Markenkern der AfD zu verleugnen.

Krahs Vortrag spielte am Donnerstag auf dem dritten Verhandlungstag im Mammutprozess der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Partei klagt gegen ihre Einstufung als „rechtsextremer Verdachtsfall“. Der Geheimdienst gewann die erste Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln, vor dem Oberverwaltungsgericht läuft seit einem Monat die Berufungsverhandlung.

Die meisten Be­ob­ach­te­r*in­nen rechnen der AfD schlechte Chancen aus. Wohl deshalb versuchen die AfD-Anwälte den Prozess zu verschleppen: Auch im Vorfeld des dritten Verhandlungstages hat die AfD noch einmal mehr als 400 Beweisanträge gestellt, will ein Urteil vor den Landtagswahlen im Osten verhindern. Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hat große Bedeutung auch mit Blick auf eine mögliche Hochstufung der Partei als „gesichert rechtsextrem“ und für ein mögliches Verbotsverfahren. Denn seit der Einstufung als „rechtsextremer Verdachtsfall“ hat die AfD sich weiter radikalisiert und wird mittlerweile vom extrem rechten Flügel um Björn Höcke dominiert.

Und der sieht das mit dem Volksbegriff nämlich so, wie man es sonst auch von Krah kennt. Das betonte dann auch der Anwalt des Verfassungsschutzes, Wolfgang Roth. Die AfD unterscheide zwischen Staatsangehörigen und ethnischem Volk, verbunden mit einer pauschal diskriminierenden Abwertung von Menschen mit Migrationshintergrund bis hin zu Bürgern zweiter Klasse. Das können man nicht nur aus dem Programm herauslesen, wenn es um den „Erhalt der ethnischen Identität“ gehen, sondern noch deutlicher aus vielen Äußerungen von Krah.

Roth verwies auf dessen zahlreiche Tweets in der umfangreichen Materialsammlung zu den verschwörungsideologischen Konzepten der „Umvolkung“ und des „Großen Austauschs“. „Wir wollen nicht diesen Meltingpot“, habe Krah gesagt. Oder bedauert, dass „Masseneinwanderung die ethnische Struktur der Bevölkerung grundlegend verändere“. In seinem Buch „Politik von rechts“ klage er über 15 Millionen Integrationsunwillige, die Krah – egal ob deutsch oder nicht – zur „Remigration“ bewegen wolle.

Krah sagt, er sei kein Rassist – und verweist auf seine slowakische Frau

Etwas absurd wurde es, als Krah aus seinen guten Verbindungen in autoritäre Regime das Argument ableiten wolle, er könne doch kein Rassist sein – schließlich beschäftige er einen Mitarbeiter mit chinesischem Migrationshintergrund und sei mit einer Slowakin verheiratet. Es wurde nicht besser, als die AfD-Anwälte behaupteten, der „Einzelfallticker“ – eine Art Internet-Sammlung von Gewalttaten, mit denen die AfD gegen Minderheiten hetzt – sei nicht zynisch gemeint und solle niemanden pauschal unter Verdacht stellen.

Immerhin kam die Verhandlung relativ gut voran – wohl auch, weil Richter Buck mittlerweile eine Routine beim Aufschieben von Beweisanträgen entwickelte. Klar bleibt indes: Ein Urteil wird nicht so schnell fallen – und auch das öffentliche Interesse ist bereits deutlich kleiner, vor Ort waren weniger Jour­na­lis­t*in­nen als zum Prozessbeginn. Die Verzögerungstaktik der AfD geht also zumindest kurzfristig auf.